Kapitel „Der ‚Landtagsplatz‘ in Hösseringen auf der Lüneburger Heide (1936)“ verfasst von Gerhard Kaldewei aus seinem Buch „Schwierige Schauplätze: (NS)-KultStätten in Nordwestdeutschland. Eine Dokumentation zur regionalen Kulturgeschichte des Dritten Reiches“ (ISBN-10: 3730813323), 2017, S. 42-50.
„In der ‚steinreichen‘ Lüneburger Heide in Niedersachsen […] wurde am 28. Juni 1936 bei Hösseringen der ursprünglich historische, sogenannte ‚Landtagsplatz‘ hauptsächlich von regionalen NS-Ortsbauernführern des Kreises Uelzen feierlich eingeweiht.“ Zwischen den Jahren 1532 und 1652 diente dieser Platz urkundlich nachweisbar als Veranstaltungsort für die Landtage des Fürstentums Lüneburg. Zu der Zeit des Nationalsozialismus wurde er schließlich zu einem NS-Thingplatz umgestaltet. Der Text von Gerhard Kaldewei erläutert die geschichtlichen Entwicklungen dieser Stätte vor, während und nach dem zweiten Weltkrieg.
Kapitel „Der SS-,Sachsenhain’ in Verden an der Aller in Niedersachsen (1934)“ verfasst von Gerhard Kaldewei, aus seinem Buch „Schwierige Schauplätze: (NS)-KultStätten in Nordwestdeutschland. Eine Dokumentation zur regionalen Kulturgeschichte des Dritten Reiches“ (ISBN-10: 3730813323), 2017, S. 32-41.
Ehemalige NS-Kultstätten sind heute ein sensibler Teil der Erinnerungskultur. Zu solch einer nationalsozialistischen Stätte gehört auch der sogenannte „Sachsenhain“ in Verden an der Aller. Er wurde im Nachgang zu dem NS-„Niedersachsentag 1934“ angelegt und sollte zu mehr Kenntnis und Beachtung der Heimat führen. Die Einweihungsfeier fand 21. Juni 1935 mit mehr als 10.000 SS- und Reichsarbeitsdienst-Männern, zahlreichen Ehrengästen und NS-Parteifunktionären statt. Bis zum Kriegsende diente die Anlage als Schulungs- und Begegnungsstätte der SS. Ab 1948 wurde sie zu einer Bildungsstätte und „Gedenkort“ umgestaltet.
Die Thingstätten wurden 1933-36 als propagandistische Freilichtbühnen und Versammlungsplätze des Nationalsozialismus erbaut. 400 waren geplant, etwa 60 wurden errichtet, viele davon sind heute noch in Deutschland, Polen und Russland auffindbar. Dieses Buch vereint 23 internationale KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen auf den Spuren dieser bis heute wenig bekannten Geschichte. Kunst und Dokumentation, Text und Bild ermöglichen eine interdisziplinäre und pluralistische Auseinandersetzung mit der Bedeutung der Vergangenheit für die Gegenwart. Texte, Bilder und Videos unter www.thingstaetten.info.
Die deutsche Ausgabe des Bildbandes „Thingstätten“ ist beim Geymüller Verlag erhältlich. Hier können Sie die Neuauflage bestellen.
Forschungsprojekt der FH Bielefeld, FB Gestaltung unter der Leitung von Prof. Katharina Bosse. 2021 mit einem „special mention“ des European Heritage Award ausgezeichnet.
Wissenschaftler*innen Bernhard Gelderblom, Gerwin Strobl, Beata Wielgosik, Stefan Wunsch
Künstler*innen Katharina Bosse, Rebecca Budde de Cancino, Doug Fitch, Jan Merlin Friedrich, Jakob Ganslmeier, Andrea Grützner, Rebecca Hackemann, Konstantin Karchevskiy, Hendrik Lüders, Daniel Mirer, Felix Nürmberger, Ralph Pache, Abhijit Pal, Philipp Robien, Jewgeni Roppel, Simon Schubert, Kuno Seltmann, Erica Shires, Thomas Wrede
Der hiesige Thingplatz befindet sich in einem Park mitten in der Stadt, etwa südöstlich des Schloss Reszel in der Altstadt. Dieser liegt am Ufer der Sajna, welcher zu Zeiten als die Gemeinde noch Rössel hieß, Zaine genannt wurde. Über diesen Thingplatz ist nicht viel bekannt. Der Umstand, dass lange nicht klar war, ob hier oder in Marienburg der dritte Thingplatz im Gau nach Tilsit und Preußisch-Holland gebaut werden sollte, tauchte der Plan zum Bau erst reichlich spät auf. Ab 1937 war das ehemalige Rössel auf der Bestandskarte der Freilichtbühnen und Feierstätten der Frankfurter Ausstellung des Reichsbundes vermerkt. Ab 1939 sollte der Platz endlich bespielt werden, eine genaue Planung darüber, welche Stücke aufgeführt werden sollten, ist nicht bekannt. Jedoch ist bekannt, was ab 1939 über sechs Jahre geschehen sollte. Das Amphitheater ist sehr klein, war das ehemalige Rössel doch zur Zeit der 1930er- Jahre mit 5.000 Einwohnern ähnlich klein, wie das niedersächsische Lamspringe. Heute verfällt die Thingstätte allmählich, wird aber hin und wieder noch von der Stadt Reszel genutzt.[1][2]
Baubeginn / Einweihung Unbekannt / Unbekannt
Architekt Unbekannt
Bezeichnung historisch / zeitgenössisch Unbekannt
Nutzung historisch Unbekannt
Nutzung zeitgenössisch Sporadische Nutzung für städtische Veranstaltungen
[1] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S. 216 f.
Das Amphitheater in Tilsit gehörte zum Bauprogramm des Reichsbundes. Musste der Bau der Thingstätte aufgrund fehlender Stücke für Ostpreußen kurzzeitig eingestellt werden, so wurde an dessen Einweihung ein sogenannter „Thingaufmarsch“ gestaltet, welcher wiederum Vorbild für andere Freilichtinszenierungen wurde. Noch 1938 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, um eigens für diesen Platz ein geeignetes Festspiel zu erhalten. Der Krieg verhinderte eine weitere Entwicklung. Es war der größte Thingplatz Ostpreußens. Er ist bis heute gut erhalten und wird von der Stadt Sovetsk regelmäßig u.a. für Theateraufführungen verwendet.[1][2]
Baubeginn / Einweihung 10.06.1934 / 30.04.1935
Architekt Franz Böhmer, Georg Petrich, Berlin
Bezeichnung historisch / zeitgenössisch Amphitheater Tilsit / „Grünes Theater“
Nutzung historisch
10.06.1934
„Wir bauen“ ein „Chorisches Hörwerk“ von Arthur Schmid
Nutzung zeitgenössisch Diverse städtische Veranstaltungen
Wissenswertes: Die Anlage wurden in Mitten des Tilsiter Parks Jacobsruh erbaut und bot 6.000 Personen Platz. Ähnlich wie in Berlin korrespondiert die Thingstätte über eine Sichtachse mit einem Aufmarschplatz für bis zu 30.000 Personen und dem Tilsiter Stadion direkt dahinter. Die Gelände können sich bei jeweiligen Veranstaltungen so gegenseitig miteinbeziehen.[5]
[1] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S. 219 f.
Der Thingplatz im ehemaligen Nordenburg (heute Krylowo), gelegen im Gebiet Kaliningrad, wurde seinerzeit von den Stadtvätern initiiert. Die Stätte galt als Wahrzeichen Nordenburgs und als Stolz der Stadtbewohner. Heute liegt sie in einer Sperrzone nördlich der Grenze zwischen Polen und dem russischen Kaliningrad.[1]
Nutzung zeitgenössisch / Link Keine Nutzung (Sperrgebiet)[3]
Wissenswertes:
Der Nordenburger Thingplatz wurde 1937 – 1938 mit einem Denkmal zu Ehren der gefallenen deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg auf einer Anhöhe zwischen einem Friedhof und einem Sportplatz errichtet. Ursprünglich mit Kieselsteinen versehen, wurde der Boden nachträglich asphaltiert. Da die Thingstätte heute in einer grenznahen Sperrzone zwischen Polen und Russland liegt, ist eine Besichtigung nur mit behördlicher Genehmigung möglich.[4]
Nach einem Reisebericht von Marianne Hansen, die nach eigenen Angaben als erste Zivilperson die Thingstätte im Jahr 2000 wieder besuchen durfte, ist die Anlage „mit Bäumen und Gestrüpp zugewachsen“, die Bronzeplatte des Mahnmals mit der Inschrift „Gedenket der Helden, die starben damit wir leben“ ist herausgebrochen und die NS-Insignien mit Adler und Hakenkreuz sind noch heute auf dem Monument zu sehen.[5]
Zusammenfassung zum historischen Artikel »Der Braunschweiger Thingplatz« von Baurat Robert Dirichs, veröffentlicht am 9. Oktober 1935 im Zentralblatt der Bauverwaltung vereinigt mit der Zeitschrift für Bauwesen, Heft 41, S. 81-85. Die Zeitschrift beinhaltete Nachrichten der Reichs- und Staatsbehörden während des Nationalsozialismus, herausgegeben wurde sie im Pr. Finanzministerium.
Im März 1934 wurde in Braunschweig mit dem Bau eines Thingplatzes begonnen. Zu dieser Zeit war die Thingbewegung noch sehr jung, weswegen der damalige braunschweiger Baurat und Autor des Artikels Robert Dirichs der Errichtung der Stätte eine besondere Bedeutung für die Weiterentwicklung der Thingidee zusprach. Als Ort für die Anlage wurde ein Steinbruch auf dem Nußberge gewählt, dessen Steine im Mittelalter für Kirchenbauten dienten. An diesem Platz wurden alle geschichtlichen, geografischen und propagandistischen Ansprüche der Nationalsozialisten erfüllt.
Nach 1,5 Jahren Bauzeit eröffnete der Thingplatz. Die Architektur entsprach im Wesentlichen den Idealvorstellungen der Nazis zur Thingplatzbewegung. Sie gliederte sich in drei Teile: dem Platz für die Zuschauenden, der Spielbühne und dem Aufmarschplatz für die Mitspielenden. Besonders hervorgehoben wird in dem Zeitschriftenbericht die Tatsache, dass die einzelnen Abschnitte sich nicht klar voneinander trennten; vielmehr gingen die Teilbereiche ineinander über. Dadurch stand nicht das Schauspiel im Fokus, sondern die Versammlungen als „Volksgemeinschaft“.
Weitere Informationen aus Sicht der Nationalsozialisten zu dem Braunschweiger Thingplatz finden Sie in dem vom damaligen Baurat Robert Dirichs verfassten Artikel „Der Braunschweiger Thingplatz“ vom 9. Oktober 1935. Archiv: Katharina Bosse
»Thingplätze in Ostpreußen –Vergangenheit und Gegenwart« von Konstantin Karchevskiy, zur Geschichte der nationalsozialistischen Bauten auf dem Gebiet des damaligen Ostpreußens Auf den ehemaligen reichsdeutschen Gebieten, die nach dem Zweiten Weltkrieg an Polen und Russland gingen, sind einige Thingplätze erhalten geblieben. Der bekannteste davon ist der Thingplatz Góra Świętej Anny – St. Annaberg (ehemals Annaberg) in der Woiwodschaft Opole (Oppeln) im Süden Polens. Andere Thingplätze sind im Westen Polens erhalten geblieben – im Myslibórz (ehemals Soldin) und im Osno Lubuskie (ehemals Drossen). Dieses PDF bietet einen kurzen Überblick der Thingplätze auf dem Gebiet des ehemaligen Ostpreußens.
Der erste Mecklenburger Thingplatz war auch Teil des ersten Bauprogramms auf Reichsebene. An der Eröffnungsfeier nahmen 13.000 Rostocker teil. Mit Beginn des Krieges blieb der Thingplatz lange Zeit unbeachtet. Bis in die 1960er Jahre hinein wurde die Anlage noch in der DDR genutzt, seitdem verfällt sie. Heute ist die Thingstätte fast gänzlich aus dem Landschaftsbild verschwunden.[1]
Baubeginn / Einweihung 21.03.1934 / 12.05.1935
Architekt Ernst Zinsser, Berlin
Bezeichnung historisch / zeitgenössisch Thingplatz / Platz der Jugend
Nutzung historisch
12.05.1935
„Neurode. Ein Spiel von deutscher Arbeit“ von Kurt Heynicke
Kreisappell der NSDAP„Die Meistersinger“ von Richard Wagner
1939
lt. Programm 2 Opern, eine Operette und ein Shakespeare-Stück
[2] Nutzung zeitgenössisch Spielplätze und sonstige Freizeitanlagen[3]
Wissenswertes:
Die Rostocker Anlage, die zum ersten Bauprogramm zählte, ähnelt dem Heidelberger Thingplatz, nur mit kleinerem Bühnenhaus wie bei der Thingstätte Loreley. Die zwei Türme am oberen Rande enthalten Regie, Licht- und Verstärker-Anlagen. Die Rednerkanzel auf dem Bühnenhaus zeigt in einem großen Relief den Reichsadler mit Hoheitszeichen. Insgesamt bietet die Thingstätte Rostock Platz für 20.000 Menschen, davon 5.000 Sitzplätze.[4]
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Thingstätte für die erste Ostseewoche genutzt und erhielt wegen des Rostocker FDJ-Parlaments 1959 den Namen „Platz der Jugend“, seither finden auf ihr keine Veranstaltungen mehr statt.[5]
[1] Schröder, Karsten, Die Thingstätte in den Barnstorfer Anlagen. NNN, Nr. 20/1994 (30.09.1994), S. 9.) – zu diesem Artikel
[2] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S. 217; Schröder, 1994, ebd.
[3] Kaule, Martin, Ostseeküste 1933-1945. Der historische Reiseführer, Ch. Links Verlag, Berlin, 2018, S. 58.
Zusammenfassung des Artikel von Dr. Karsten Schröder, Stadtarchiv Rostock.
Veröffentlicht im MecklenburgMagazin. Regionalbeilage der SVZ und der NNN, Nr. 20/1994 (30.09.1994), S. 9
Im Zuge der Thingbewegung, ein Kulturkonzept im Nationalsozialismus zur Errichtung von ideologisch motivierten Freilichtbühnen, wurde Anfang der 1930er Jahre auch in Rostock ein Amphitheater errichtet. Diese Thingstätten wurden architektonisch aufwendig entworfen und naturnah erbaut. Insgesamt planten die Nazis für Deutschland knapp 400 Thingplätze, in denen jeweils über 10.000 Zuschauende Platz finden sollten.
Die Bühne in den Barnstorfer Anlagen in Rostock war der erste Thingplatz in Mecklenburg. Mit dem symbolischen Spatenstich am 21. März 1934 zum Bau der nationalsozialistischen Architektur sollte die Grundlage für eine breitgefächerte Thing-Propaganda geschaffen werden. Dazu gehörten Theaterstücke, die mit bis zu 2.000 Schauspielende aufgeführt wurden. Ziel war es, das Arbeits- und Gemeinschaftsgefühl des Volkes zu stärken. Massenaufmärsche, Weihestunden und sog. „Volkssingspiele“ waren ebenfalls Teil der nationalsozialistischen Propaganda. Letztendlich nahm die Bauzeit des Rostocker Thingplatzes ein Jahr und zwei Monate in Anspruch. 12.000 Kubikmeter Erdmasse wurden bewegt, eine 350 Meter lange Umfassungsmauer aus Feldsteinen errichtet und gegenüber der Aufführungsbühne zwei Beleuchtungstürme gebaut. Sie ähnelten der Architektur von Bunkern, gliederten sich jedoch passend in das Ästhetikverständnis der Nazis ein. An der Einweihungsfeier, die am 12. Mai 1935 stattfand, nahmen knapp 16.000 Menschen teil. Neben 13.000 Zuschauenden und 2.000 angestellten Personen, die für die Durchführung der Kulturveranstaltung unerlässlich waren, wurden hochrangige Staatsvertreter und Parteimitglieder der NSDAP empfangen. In seiner Eröffnungsrede heroisierte der damalige Gauleiter Friedrich Hildebrandt den Nationalsozialismus als „Retter“ der deutschen Kultur und die Thingstätten als einen würdigen Teil dessen. „Neurode“ war das erste Stück, das auf dem Rostocker Thingplatz aufgeführt wurde. Es handelt von einem immer weiter verfallenden Bergwerk, das nur durch die geeinte Anstrengung von Arbeitern aller Volksschichten gerettet werden konnte. Damit ist die Inszenierung des Theaterstückes der Inbegriff für das Leitbild der Thing-Propaganda.
Es folgten weitere Veranstaltungen auf der Mecklenburgischen Freilichtbühne, die durch die NSDAP initiiert wurden. Beispielsweise wurde 1937 das Erntedankfest dort ausgetragen, ein Jahr später der NSDAP-Kreisappell. Bedingt durch den Krieg konnte der Thingplatz jedoch nicht in der Dimension genutzt werden, in der es die Nationalsozialisten bei dem Bau vorgesehen hatten. Er blieb viele Jahre ungenutzt, bis er schließlich zur ersten Ostseewoche im Jahr 1958 zur Freilichtbühne umfunktioniert wurde.
Vertiefende Informationen zu den geschichtlichen Hintergründen des Rostocker Thingplatzes finden Sie in dem von Dr. Karsten Schröder verfassten Artikel „Die Thingstätte in den Barnstorfer Anlagen“ vom 30. September 1994.