Interview mit Dr. Hans-Dieter Nägelke, Leiter des Architekturmuseums der TU Berlin  zum Nachlass des Architekten Werner March und der Geschichte der im Nationalsozialismus als Thingstätte erbauten heutigen Waldbühne in Berlin.

Dieses Video ist Teil des interdisziplinären und internationalen Kunst & Wissenschaftsprojekts „Thingstätten“  www.thingstaetten.info. Es engagiert sich für die Erinnerungskultur und eine Aufarbeitung der im Alltag integrierten  oder fast vergessenen, als propagandistischen Freilichtbühnen der Nazizeit errichteten Bauten, und fragt nach der Bedeutung dieser Vergangenheit für die Gegenwart.

Waldbühne Berlin

1936 gebaut als Dietrich-Eckart-Freilichtbühne

Architekt: Werner March

„Ich bin Dieter Nägelke und leite das Architekturmuseum an der technischen Universität Berlin. Wir sind seit 130 Jahren Architekturmuseum und damit eine der ältesten Institutionen dieser Art in Deutschland. Unser Sammelgebiet betrifft das ganze damalige „deutsche Reich“ und seitdem konzentrieren wir uns mehr oder weniger auf Berlin und das Umland.

Unter dem Gesichtspunkt der Gesamtinszenierung dieses Theaters Architektur, Landschaft, Raum, Bewegung, nicht zuletzt auch Licht, ist eine Fotografie besonders wichtig, die sich auch in dem Nachlass Werner Marchs bewahrt hat. Eine Fotografie von der Fotografin Charlotte Rohrbach, die sicherlich nicht von ungefähr an die Fotoinszenierung Leni Riefenstahls, im Zuge der Olympiade, erinnert. Wir sehen das Theater im Gebrauch, mit einem antikisierenden oder mittelalterlichen Singspiel, in einer feierlichen Aufstellung. Wir sehen das Dunkel des Publikums, im Gegensatz zur hell erleuchteten Bühne und wir sehen dahinter die Kulisse der Bäume aufragen, vor dem sich eindunkelnden Abendhimmel. Ich denke, dieses Foto zeigt sehr genau, worum es den Nationalsozialisten gegangen ist, nämlich eine Stimmung zu evozieren, die in ihrer Mystik, in ihrem weihvollen Charakter die Zuschauer fasziniert. Von der Größe fasziniert, von dem Charakter fasziniert und zusammenbindet und das funktioniert ja auch heute noch. Wer die Waldbühne betritt und Konzerte besucht, ist eingefangen von diesem Zauber der Landschaft. Auch das ist ein Grund, weshalb wir uns viel mehr mit diesen Bauten beschäftigen sollten, als wir es bisher getan haben. Wir haben einige Forschungen zur Architektur des „Dritten Reiches“ geleistet, aber die Thingstätten und insbesondere auch die Waldbühne, hier in Berlin, gehören noch nicht dazu.“  Berlin 2014

Interview mit Lutz Walk, Arbeitskreis Stedingsehre, 2014, über die Geschichte und heutige Nutzung der von den Nationalsozialisten als Thingstätte erbauten Freilichtbühne in Bookholzberg Ganderkesee bei Oldenburg.

Dieses Video ist Teil des interdisziplinären und internationalen Kunst & Wissenschaftsprojekts „Thingstätten“  www.thingstaetten.info. Es engagiert sich für die Erinnerungskultur und eine Aufarbeitung der im Alltag integrierten  oder fast vergessenen, als propagandistischen Freilichtbühnen der Nazizeit errichteten Bauten, und fragt nach der Bedeutung dieser Vergangenheit für die Gegenwart.

„Mein Name ist Lutz Walk, mit einem Arbeitskreis von circa 30 engagierten Bürgerinnen und Bürgern aus dieser Region widmen wir uns der Geschichte dieses Ortes. Es geht um die historischen Ursprünge dieses Ortes, welche Funktion er hatte und was seine heutige Bedeutung ist.

Das Entstehen dieser Anlage ist einem historischen Ereignis zu verdanken,  der Schlacht von Altenesch 1234. In dieser Schlacht verloren die Stedinger Bauern, die längs der Weser siedelten, gegen den Erzbischof von Bremen. Sie wurden vernichtend geschlagen, fast das gesamte Volk der Stedinger wurde ausgerottet. 

Insgesamt waren bei diesen Aufführungen etwa 230.00 Menschen aus dieser Region Zuschauer. Es wurde hier am Hang diese riesige Bühne für 10-12.000 Zuschauer errichtet mit einem historischen „Spieldorf“. Es war  ein Idealdorf, wie man es sich vorstellte, wie die Stedinger gelebt haben könnten. Vor dieser Kulisse spielte sich nun ein Massenspektakel ab, mit mehreren hundert Beteiligten: Schauspielern, Laienschauspielern, aber auch Berufsschauspieler. Die Nazis waren geschickt, dieses Schauspiel in die Anfang der 30er Jahre entstehende Thingbewegung zu integrieren. Später stritten sich die Nazis dann intern, ideologisch, ob dieser Germanen-orientierte Umgang mit den sogenannten Thingstätten noch angemessen sei, und insofern bestand der Begriff der „Thingstätte“ für diesen Ort nicht sehr lange. Er wurde dann später umbenannt in niederdeutsche Kultstätte in Erinnerung an die historischen Zusammenhängen.

Die Funktion dieses Ortes war immer die gleiche geblieben. Nur die Benennung und die ideologische Zuordnung veränderte sich im Laufe der 30er Jahre. Zur Nutzung: nach dem Ende der Nazi-Schreckensherrschaft, 1945, kamen Engländer und Kanadier als Befreier in die Region und sie nutzten diesen Ort erst einmal vielfältig für Verwaltungszwecke. Auf dieser Bühne wurde der erste demokratische Bürgermeister von Bookholzberg nach dem zweiten Weltkrieg ausgerufen, von den kanadischen Besatzungsmächten. Insofern begann die Nachkriegszeit für diesen Ort mit einem positiven Ereignis.

Dieser Ort, der als Erinnerung an ein historisches Ereignis geschuldet ist, hat mehrere ineinander verwobene Bedeutungen. Das macht den Umgang mit diesem Ort sehr schwierig. Heute sehen wir die grüne Idylle. Die Natur hat sich viel von der Theateranlage zurückgeholt und diese Idylle verdeckt natürlich manches, was hier, im dritten Reich, passiert ist.

Wir stehen hier jetzt auf der sogenannten Ehrentribüne am oberen Rand der Tribüne. Von hier kamen die Zuschauer und hatten dann vor sich das weite Stedinger Land und direkt vor sich das Spieldorf, im dem dann die Handlung, der Kampf der Stedinger, sich abspielte.

Man kann heute nur noch erahnen, welchen Eindruck dieser Blick auf die Zuschauer gemacht hat. Hier auf diesem alten, historischen Foto, auf dem es noch keine Bäume gibt, sieht man, dass sich die Landschaft ins unendliche erstreckt. Man sieht hier noch den Kirchturm, mit der Menge der Schauspieler. Es waren wohl über 300 Schauspieler und man sieht hier auch die Brücke über den Graben. An dieser Stelle befinden wir uns jetzt und das ganze Dorf war die Bühne für dieses Massenspektakel.

Es wurde so dargestellt, wie man es sich idealisierend, nicht historisch, das Leben in einem Stedinger Dorf vorstellte. Auch die Zugbrücke, die hier einmal hochgeklappt ist, man kann hier sehen. Sie ist im Originalzustand erhalten. Dieses Erinnerungsalbum diente den Mitwirkenden dazu, die Erinnerung zu bewahren, an die Mitwirkung an ein besonderes Ereignis. Das war ja nicht selbstverständlich, dass man an einem so besonderen Schauspiel als normaler Dorfbürger mitwirken konnte.“

Ganderkesee-Bookholzberg/ Niedersachsen
Anlass für den Bau der Thingstätte war das Jubiläum des 700. Jahrestages der Schlacht von Altenesch am 27.05.1234, in der ein Bauernheer sich gegen rüstungstechnisch überlegene Ritter behaupten konnte. Diese umfasste einen Zuschauer- Halbrund in dem bis zu 20.000 Personen Platz fanden. Er war durch einen künstlich angelegten Wassergraben von der Spielbühne getrennt, auf der ein mittelalterliches Dorf nachgebaut wurde. Für das Jubiläum wurde eigens vom einem Oldenburger Autor das Theaterstück „De Stedinge“ verfasst, welches auf dem Gelände bis 1937 insgesamt fünfzehn Mal aufgeführt wurde. Die erste Aufführung des Festspiels fand dort an der offiziellen Einweihung des Thingplatzes statt. Das Festspiel selbst wurde bereits ein Jahr zuvor am Jubiläumstag dem 27.05.1934 in Altenesch uraufgeführt. Anders als bei manch anderen Thingstätten machte man sich hier früh über die langfristige Finanzierung Gedanken. So wurde eigens für Bookholzberg eine „Stiftung Stedingsehre“ gegründet, um diese zu gewährleisten. Das Gelände ist heute in Teilen noch erhalten, einige Gebäude dienen heute Berufsförderungszwecken.[1][2]


Baubeginn / Einweihung
19.10.1934 / 13. und 14.07.1935[3]

                                   
Architekt
Walter Reimann, Berlin[4]
                                                           
Bezeichnung historisch / zeitgenössisch            
Niederdeutsche Kultstätte Stedingsehre, ab 1937 Niederdeutsche Gedenkstätte Stedingsehre / Freilichtbühne Stedingsehre[5]

Nutzung historisch

1935:   9 Aufführungen
1936: Nicht bekannt
1937: 12 Aufführungen
Festspiel „Stedingsehre. Spiel vom Untergang eines Volkes“ von August Heinrichs

[6]
Nutzung zeitgenössisch:
Berufsförderungswerk

Wissenswertes:

Auf dem Gelände war auf Betreiben des Gauleiters „Weser- Ems“ Carl Röver (1889 – 1942) und der Unterstützung Alfred Rosenbergs und Heinrich Himmlers ein gigantischer nationalsozialistischer Schulungskomplex mit mehreren, teils pompösen Gebäuden geplant worden. Dazu gehörte eine dreigeschossige, burgähnliche Anlage mit einem Turmbau und mehreren Schuleinrichtungen für die Ausbildung der Parteijugend.[7]


[1] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S. 115 ff. und S. 238

[2] Kaldewei, Gerhard, Schwierige Schauplätze. (NS) – Kultstätten in Nordwestdeutschland, Verlag Florian Isensee GmbH Oldenburg, 2017, S. 16 ff.

[3] Stommer, 1985, S.238

[4] Ebd.

[5] Zeitgenössische Eintrittskarten und Theaterzettel

[6] Bei der Anzahl der Aufführungen und der Gesamtzuschauerzahl widersprechen sich Stommer und Kaldewei. Es wurden die Zahlen aus Kaldeweis Werk verwendet.

[7] Kaldewei, 2017, S. 20 ff., insbesondere S. 21

Interview mit Lutz Walk, Arbeitskreis Stedingsehre, über die Geschichte und heutige Nutzung der von den Nationalsozialisten als Thingstätte erbauten Freilichtbühne in Bookholzberg-Ganderkesee bei Oldenburg.

Dieses Video ist Teil des interdisziplinären und internationalen Kunst & Wissenschaftsprojekts „Thingstätten“  www.thingstaetten.info. Es engagiert sich für die Erinnerungskultur und eine Aufarbeitung der im Alltag integrierten  oder fast vergessenen, als propagandistischen Freilichtbühnen der Nazizeit errichteten Bauten, und fragt nach der Bedeutung dieser Vergangenheit für die Gegenwart.#Architektur, #Nationalsozialismus, #Erinnerungskultur, #Thingstätte

Interview mit Heimatforscher Uwe Hinz, Bergen auf Rügen, 2014

Das Video ist Teil des „Thingstätten-Projekts“, das sich mit den Mitteln von Kunst und Wissenschaft, Text, Bild und Video den heutigen architektonischen Spuren der wenig erforschten nationalsozialistischen „Thingbewegung“ nähert. Es geht um die Bedeutung der problematischen Vergangenheit für die Gegenwart, und um die Stärkung demokratischer Initiativen. Das Projekt soll durch Information zur Entmystifizierung der nationalsozialistischen Propaganda der „Thingstättenbeitragen.

Transkript Video Thingstätte Bergen auf Rügen

Herzlich Willkommen in unserer Stadt Bergen auf Rügen, hier auf dem Rugard, der an dieser Stelle etwa 93 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Mein Name ist Uwe Hinz. Ich selbst habe mich über Jahre beschäftigt mit der Historie nicht nur von Bergen, sondern auch mit der europäischen Geschichte und bringe den Menschen diese Heimat gerne näher. Ich möchte Sie jetzt gerne mitnehmen, auf einen Weg, der sicherlich nicht sehr einfach ist.

Wie sitzen hier an dem Ort, das ein Denkmal ist. Früher nannte man es ein Heldendenkmal und heute Unverbesserliche nennen es ein Kriegerdenkmal. Dieses Denkmal ist in Form einer Thingstätte errichtet. Nun werden viele fragen „was ist eine Thingstätte?“. Eine Thingstätte ist im alt germanischen Sinne eine Versammlungsstätte, an dem Recht gesprochen wurde.

Hier haben wir die Anlage der Thingstätte: Eine Bergener Firma hat hier Erdreich anfahren müssen, um die Terrassen, sie sehen hier die Plätze, zu schaffen und hier ist das Rondell. Dahinter befand sich dann später das Mallon-Denkmal. Sie sehen hier die weiten, zerklüftenden Einschnitte des Rügener Landes mit den „Botten“ Landschaften und der offenen See. Hier sind die Aufmärsche, zum Beispiel von dem ersten Mai 1933, zu sehen. Der Zug führte über die Straße hin zur Thingstätte, als Versammlungsort und Feierort der Nationalsozialisten, aufgenommen am 1. Mai 1933.

Im Jahre 1918, nach Ende des ersten Weltkrieges, wollte man die Menschen, die gefallen sind, die Bergener Bürger, nicht so einfach im Stich lassen. 206 Bergener sind hier in Europa für eine unselige Idee gefallen und irgendwo sind ihre Gräber verstreut, wo sie nicht mehr zu finden sind. Man wollte hier einen Hain schaffen, um diesen Menscheneine Stätte zu geben, an der ihrer gedacht wird.

 1933 übernahmen die Nationalsozialisten die Macht, und die absolute Herrschaft. Die Nationalsozialisten hatten ein starkes Bedürfnis, den germanischen Kult zu fördern. Wir haben hier den alten, historischen Burgwall. Im Sinne des Nationalsozialismus hat der Volkskundler Alfred Haas in einer Abhandlung die Thingstätte als eine germanische Stätte geschildert.  Das war natürlich etwas sehr Positives für die Nationalsozialisten und so verlängerten sie die Achse von dem in ihrer Deutung germanischen Burgwall, über dieses Denkmal, bis zu der Thingstätte.

Sie wurde am 25. Mai 1935 eingeweiht und sie sollte mit einem Schauspiel „zum heiligen Vaterland“ sattfinden. Aber so richtig hat wohl diese Thingstätte nie anklang gefunden, denn bereits im Jahre 1936 beschwerte sich die Stadt, dass diese Stätte verunkrautet sei.

Interessant ist auch, dass hier im Jahre 1938 ein Hitlermarsch, von diesem Mallon-Denkmal in Bergen nach Nürnberg zum Parteitag Adolf Hitlers stattfand. 43 Fahnen, die in diesem Denkmal geweiht wurden, wurden getragen. 900 Kilometer, in 43 Tagen, nach Nürnberg. Als dann die Ära der Nationalsozialisten mit dem Ende des zweiten Weltkrieges ihr Ende fand, wurde dieses Denkmal zerstört, durch die Nationalsozialisten selbst. Es gibt da widersprüchliche Meinungen. Die einen sagen, dieses Denkmal ist gesprengt worden, andere sagen, es ist nur angezündet worden. Eines ist wohl sicher, man hat dort noch nachträglich verkohlte Fahnenreste, Ehrendolche etc. gefunden und man soll wohl auch die Gebeine, des bis dahin als Mythos hochgehaltenen Hans Mallon gefunden haben.

Der Plan von Architekt Ernst Zinsser vom 2.6.1934 sah 720 Sitzplätze und 4760 Stehplätze vor. Die Fertigstellung des Platzes liegt vermutlich zwischen 1936-1938. [1]             
Architekt: Ernst Zinsser                                                
Bezeichnung historisch: Thingplatz

Bezeichnung zeitgenössisch: Skateranlage im Stadtwald  

               
Nutzung historisch: 1940 fanden Karl-May Spiele statt. Nach dem Krieg wurde die Bühne nur noch sporadisch genutzt. [2]


Nutzung zeitgenössisch: 1998 wurde auf dem ungenutzten Theater eine Skate-Anlage gebaut. Im Park liegt kein Gebäude unter Denkmalschutz. Ebenso wenig gibt es Bodendenkmale im Bereich des Parks. [3]


Wissenswertes: Die Position der Skateranlage auf der ehemaligen Thingstätte wird als nicht ideal bewertet, da sie außerhalb der Innenstadt liegt, über unbefestigte Wege zu erreichen ist und es an Publikum für die Skater mangelt. In einer Studie von 2018 wird ein Umbau zur Freilichtbühne empfohlen. [4]


[1] Bauplan in der  Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität Köln. Zitiert nach Rainer Stommer: Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas Verlag, Marburg, 1986, S. 219/220

[2] Konzeptstudie Begegnung und Bewegung im Stadtwald, Institut für kommunale Sportentwicklungsplanung an der Fachhochschule für Sport und Management Potsdam der Europäischen Sportakademie Land Brandenburg, PDF, 2018, abgerufen am 25.10.2020,  S. 6 

https://www.werder-havel.de/werder/64-containerkategorie/116-sehenswuerdigkeiten/1297-stadtwald

[3] Ebenda S.7

[4] Ebenda S.12

von Peter Stegt

Wo der Gerresheimer Thing-Platz lag und warum es ihn gab, weiß kaum jemand. Nur wenige Zeitzeugen erinnern sich daran. Nun belegen neue Quellenfunde den Ort und den Sinn dieser Einrichtung.

„Helft mit! In Gemeinschaft mit den Gerresheimer Volksgenossen baut die NSKOV (National-Sozialistische Kriegsopferversorgung) am kleinen Dern die Feierstätte von Gerresheim. Besucht die Feierstätte und würdigt die Opferwilligkeit der Dernbauarbeiter!“

So der Text einer Anzeige in der Festschrift „Gerresheim 1236 – 1936“: Werden und Gestaltung“, die zum 700. Jahrestag der Kirchenweihe herausgegeben wurde. Der Thing-Platz ist noch heute im Gelände zu erkennen, wenn auch von Gestrüpp überwuchert und kaum zugänglich.

Doch was ist überhaupt ein „Thing“? Darunter verstand man in alten Zeiten die Versammlung eines Stammes bzw. einer Volksgruppe und deren Ort, um mögliche rechtliche Streitfragen zu klären und Urteile zu fällen. Zudem wurden hier wichtige gemeinschaftliche Entscheidungen getroffen.

Die Nazis griffen diese überlieferte Institution auf, um auf den nationalen und lokalen Stolz sowie die germanischen Wurzeln hinzuweisen. Gerade in der Hitlerjugend fand man den perfekten Nährboden für solche Rituale. Man benötigte Soldaten für den Krieg.

Die Idee zur Errichtung eines Thing-Platzes stammt sehr wahrscheinlich von dem Ortsgruppenleiter und Düsseldorfer Stadtrat Alwin Wesch, dessen Büro an der Benderstraße 54 war. 1933 konstatierte er in einer Festschrift zum „Erntedank- und Heimatfest“ Ende September: „Gerresheim ist für den Führer erobert!“

Am 17. Juni 1934 war es dann endlich soweit: Die Einweihung des Platzes fand statt. Ein Pastor Brützel, über den trotz weiterer Nachforschungen bisher nichts herausgefunden werden konnte, gab dem Platz die geistliche Weihe, bevor Alwin Wesch in seiner Rede vom „Kampf um die Heimaterde“ sprach. „Nicht die Waffe allein sei Kampfmittel, sondern auch der Geist.“

Anschließend hielt der Vorsitzende des NSKOV (Nationalsozialistische Kriegsopferversorgung) Heesen eine kurze Rede, in der er den Plan zur Gedenkstätte formulierte:

„Ein Rondell in der geschützt liegenden Schlucht solle zu einer Dingstätte werden, umgeben von schönen Anlagen, u.a. einem Rosarium. Ein Ehrenhain, in den jede Ortsgruppe einen Baum pflanzt, soll dem Andenken der Gefallenen des Weltkrieges, der nationalen Revolution und den Opfern der Arbeit geweiht sein.“ Auf dem oberen Thing-Platz sollte ein „Gedenkstein gen Himmel ragen.“

Es sollte „ein Ort der Erholung für alle Kameraden und deren Angehörige und der Erinnerung und Mahnung werden.“

Der untere Hauptplatz oder auch „Ehrenhain“ war in einem Taleinschnitt am Fuße der Gerresheimer Höhen gelegen. Hier gab es einen langen Weg für Aufmärsche, der in einer Rundung zur Versammlung endete. Hier konnten Eidesschwüre, Festspielaufführungen und andere Versammlungen zu NS-Festtagen stattfinden.

Von hier aus führten 220 Stufen zum oberen Thing-Platz. Die Anzahl der Stufen ist nur überliefert, weil es nach Zeitzeugenaussagen für die damals teilnehmenden Kinder ein Vergnügen war, die Stufen zu zählen. Links und rechts des Aufgangs sollen in regelmäßigen Abständen Steinquader gestanden haben, auf denen bei Festen Fahnen- und Fackelträger standen.

Auf dem oberen Platz wurde ein Monolith – der oben genannte Gedenkstein –  aufgestellt, den es noch heute gibt. Um ihn herum gab es einen kleineren Festplatz. Wozu dieser Nebenplatz genau diente, ist nicht überliefert. Man kann nur vermuten, dass die NS-Organisationen, wie die HJ oder der BdM, hier zu besonderen Feierlichkeiten heraufmarschierten, um dort Rituale, wie das gemeinsame Singen oder einen Fahneneid zu vollziehen. Nach den Zeitzeugenaussagen sollen die Aufmärsche auf beiden, dem unteren und dem oberen Platz, stattgefunden haben. Sie waren steinern umrandet und mit Kies bzw. Sand bedeckt.

Den Eingang von der Straße bildete den Aussagen zufolge ein großes eisernes Tor. Es gab keine Sitzplätze, doch der Platz war von stufenartigen Stehplätzen umgeben. „An Heldengedenktagen und bei Sonnwendfeiern zogen wir nachmittags von der Schule aus dort hinauf. Dort sangen wir dann Lieder und sagten Gedichte auf“, erinnert sich Elfriede Fehse.

Bei Veranstaltungen sei das Plateau von Fahnen umstellt gewesen. „Die Feiern wurden gemeinsam von den Schulen, der SA, der Hitlerjugend und dem Bund deutscher Mädel organisiert und durchgeführt.“ Elfriede Fehse kann sich sogar noch im Wortlaut an eines der Volkslieder erinnern, welches dort gesungen wurde:

„Nichts kann uns rauben
Liebe und Glauben
Zu unserm Land;
Es zu erhalten
Und zu Gestalten,
Sind wir gesandt.

Mögen wir sterben,
Unseren Erben
Gilt dann die Pflicht:
Es zu erhalten
Und zu gestalten:
Deutschland stirbt nicht!“

Nach 1940/41wurde der Platz aufgegeben. „Wohl wegen des Krieges“, vermutet Fehse, die 1936 dem Bund deutscher Mädel (BdM) beitrat. Der oben genannte Plan wurde jedenfalls nie zur Vollendung gebracht. Stattdessen geriet der Platz während und nach dem Krieg in Vergessenheit.

Ein weiterer Thingplatz soll sich noch an der Hagener Straße am Sandberg im Süden Gerresheims befunden haben. „Ich habe mit Klassenkameradinnen gesprochen, die meine Erinnerungen diesbezüglich bestätigt haben.“ Vielleicht weiß ein Leser des „Gerrikuss“ mehr?

Heute ist das gesamte Plateau des Thing-Platzes kaum bekannt und von Bäumen und Büschen bewachsen. Das eiserne Tor ist verschwunden, einzige erhaltene Zeugen sind der große Monolith in der Mitte des oberen Thing-Platzes und der Grundriss, den man aus der Sicht von oben noch sehen kann.

Quelle: Dieser Text und die zugehörigen Bilder wurden in der Ausgabe 3/2018 des Magazins zur Stadteilgeschichte „Gerrikus“ veröffentlicht.

Mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht. Bitte das Urheberrecht der Autoren und Bildrechte beachten.

Inmitten einer ursprünglichen Festungsanlage aus napoleonischer Zeit wurde die zu diesem Zeitpunkt größte Thingstätte Westdeutschlands in gerade mal vier Monaten errichtet. Dies war nur durch einen vorhandenen Durchbruch in der Außenmauer der Festung möglich. Der Wassergraben der Zitadelle konnte vorteilhaft für das Gesamtkonzept genutzt werden: Die vorgeschobene Spielfläche ragt in das Wasser hinein, auch trennt es den Spielplatz selbst vom Zuschauerraum. Von ihr aus führte eine 2- flügelige Treppe auf das Mauerwerk des Walls hinauf. Dort – über dem Durchbruch – befand sich eine Ehrenhalle. Ihre Größe in Zahlen: Für Thingspiele bot sie ein Fassungsvermögen für bis zu 14.000 Personen, für Versammlungen sogar bis zu 21.000, jeweils ca. ein Viertel Sitz- und drei Viertel Stehplätze. Vereinzelte Bauten der Thingstätte sind dort bis heute erhalten geblieben. [1]

Baubeginn / Einweihung
29.06.1934 / 28.10.1934
                        
Architekt
Ludwig Moshamer, Berlin
                                               
Bezeichnung historisch / zeitgenössisch 
Thingstätte Jülich / Brückenkopf- Freilichtbühne

Nutzung historisch

29.06.1934„Kantate der Kameradschaft“ von Max Barthels
28.10.1934Weihespiel „Arbeiter, Bauern, Soldaten“ (vermutlich von Dr. Robert Ley, oder auf Grundlage seiner gleichnamigen Schrift)
1935 – 1939Nichts bekannt

[2]

Nutzung zeitgenössisch
Freilichtbühne Jülich  https://www.juelich.de/brueckenkopf-freilichtbuehne


[1] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S. 212 f.

[2] Ebd.

Kuno Seltmann drehte dieses experimentelle Video bei der Performance „Yamantaka, Killer of Death, reconsecrates Herchen Thingstätte“ des US Regisseurs Doug Fitch