Von Thomas Wrede

Aufgang zur THingstätte Herchen mit Kanonen aus dem französischen Krieg Aus der Fotografie Installation von Thomas Wrede im Rahmen des interdisziplinären Kunst und Wissenschafts Projekts Thingstätten Erinnerungskultur Nationalsozialismus
Aus der Fotografie Installation: Zugang zum Thingplatz mit Weihnachtsbaum und Kanonen, 2014

Als ich die Thingstätte Herchen mit ihrer runden Architektur und mitten auf einem bewaldeten Bergsporn sah, erinnerte sie mich an einen schönen, aber auch tragischen Ort meiner Kindheit im sauerländischen Letmathe. Es war mir schnell klar, dass ich für mein fotografisches Projekt diese beiden Orte gegenüber stellen möchte.  Als Jungengruppe im Alter von 9 bis 13 Jahren hatten wir uns über Jahre an einem kreisrunden Tümpel oberhalb unserer Siedlung getroffen. Diese im dunklen Wald liegende Wasserstelle war der heimliche Ausgangspunkt für unsere Abenteuerspiele und Expeditionen. Wir waren von unserer „Spielstätte“ wie magisch angezogen, bis sie einem Schulfreund zum tödlichen Verhängnis wurde. Dass dieser Tümpel ein Bombentrichter war und dass sich in seiner Umgebung zahlreiche Munitionen aus dem Zweiten Weltkrieg befanden, die deutsche Soldaten bei ihrem Rückzug liegen gelassen hatten, erfuhren wir erst dann.  Im Frühjahr 1976 fand ein Klassenkamerad, 13 Jahre alt, mit seinem Freund eine große Flügelgranate. Sie nahmen ihren Fund mit nach Hause und versuchten, sie zu öffnen. Es war ein sonniger Frühlingstag, als eine ohrenbetäubende Explosion unsere Siedlung erschütterte. Mein Schulfreund wurde zerrissen und getötet, der andere Junge erlitt schwere Verletzungen und überlebte.  Nach über vierzig Jahren habe ich das am Berghang liegende Waldstück wieder aufgesucht. Die Schrebergartensiedlung hatte sich weiter ausgebreitet und befand sich nun in sichtbarer Nähe. Im feuchten Herbstwald hatte der Bombenkrater nur wenig von seiner dunklen und für mich beklemmenden Atmosphäre verloren. Selbst die Größe hatte sich kaum verändert.  Vor diesem Hintergrund empfinde ich die Inschrift an der Herchener Thingstätte als Ausdruck der nationalsozialistischen Blut- und Bodenideologie umso zynischer und makaberer: „GEBOREN ALS DEUTSCHER – GELEBT ALS KÄMPFER – GEFALLEN ALS HELD – AUFERSTANDEN ALS VOLK“. Die Nationalsozialisten hatten den Text ca. 1934 zum Gedenken an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges angebracht. Auch das nationalsozialistische Gesamtensemble des „Thingplatzes“ mit den „Herchener Kanonen“ und der Hinweistafel vom „Bürger- und Verschönerungsverein“ (Stand 2014) wirken in ihrer Beschreibung unreflektiert. Nur direkt an der Rotunde der Thingstätte gibt es ein kleines Textschild mit der Überschrift: „ Ein unangenehmes Denkmal …“ Für mein fotografisches Projekt habe ich die zwei Orte mit weiteren Fotografien aus ihrem Umfeld in ihren räumlichen und geistigen Kontext gestellt. Es sind Bilder mit den beiden Zugängen zu der Thingstätte und dem Bombenkrater, ergänzt mit Aufnahmen von einer aktuellen Informationstafel.

Aus der Fotografie Installation von Thomas Wrede im Rahmen des interdisziplinären Kunst und Wissenschafts Projekts Thingstätten Erinnerungskultur Nationalsozialismus
Thingstätte Herchen, 2014
Inschrift Thingstätte Herchen (1935): „ GEBOREN ALS DEUTSCHER – GELEBT ALS KÄMPFER – GEFALLEN ALS HELD – AUFERSTANDEN ALS VOLK“, 2014 Aus der Fotografie Installation von Thomas Wrede im Rahmen des interdisziplinären Kunst und Wissenschafts Projekts Thingstätten Erinnerungskultur Nationalsozialismus
Inschrift Thingstätte Herchen (1935): „ GEBOREN ALS DEUTSCHER – GELEBT ALS KÄMPFER – GEFALLEN ALS HELD – AUFERSTANDEN ALS VOLK“, 2014
Aus der Fotografie Installation von Thomas Wrede im Rahmen des interdisziplinären Kunst und Wissenschafts Projekts Thingstätten Erinnerungskultur Nationalsozialismus
Bombentrichter, Letmathe, 2015
Aus der Fotografie Installation von Thomas Wrede im Rahmen des interdisziplinären Kunst und Wissenschafts Projekts Thingstätten Erinnerungskultur Nationalsozialismus
Verbauter Zugang zum Bombentrichter, Kleingärtnerverein, Letmathe, 2015
Aus der Fotografie Installation von Thomas Wrede im Rahmen des interdisziplinären Kunst und Wissenschafts Projekts Thingstätten Erinnerungskultur Nationalsozialismus
Installationsansicht
Aus der Fotografie Installation von Thomas Wrede im Rahmen des interdisziplinären Kunst und Wissenschafts Projekts Thingstätten Erinnerungskultur Nationalsozialismus
Beschriftung am Aufgang zur Thingstätte in Herchen
Aus der Fotografie Installation von Thomas Wrede im Rahmen des interdisziplinären Kunst und Wissenschafts Projekts Thingstätten Erinnerungskultur Nationalsozialismus
Zeitungsartikel Letmathe historisch

Von Rebecca Budde de Cancino

Ich fahre nach Mülheim zur Thingstätte. Mit meinem

Opa im Gepäck. In Gedanken. Auf dem Weg dorthin,

blitzt das Sonnenlicht wie Salven ins Dunkel meiner

geschlossenen Augenlider.

Und dann stehe ich dort, auf der Tribüne, hoch oben.

Dort draußen. Majestätisch. Trotz der Bretterbänke.

Über allem.

Alleine.

Hunderte leerer Plätze schauen in eine Mitte.

Und mir gegenüber: der Felsen, der immer schon da war.

Ich überwinde mich, Jahre zuvor als er noch lebte, ihn

zu fragen, ob ich das Tattoo seiner Blutgruppe aus

dem Krieg fotografieren darf.

Er steht auf. Zieht sich den Pullover aus. Im Unterhemd

steht er vor mir.

Ich bin 19 Jahre alt.

Hängender Arm. Ich drücke ab.

Ich gebe eine kurze Anweisung den Arm nun zu heben.

Ich sehe Achselhaare und den ausgeblichenen, schlecht

gestochenen Kreis.

Ich drücke ein zweites Mal ab.

Er lässt den Arm wieder sinken. Zieht sich an. Kein Wort.

Diese Tat war der größte Liebesbeweis, den es gibt.

Ich weiß nicht, woher ich von dem Tattoo wußte. Wir

sprachen nie wieder darüber, wie wir auch vorher

nie darüber gesprochen hatten.

Enge. Spuren. Ein Raum. Eine Öffnung. Schwarz. Und

dann Worte. Eine Wand. Schatten.

Und Stille.Ich trete gegen die Pappe

Thingsstätten were open-air arenas built by the Nazi Party in Germany between 1933 and 1936 to spread the Thing movement of the Nazi Party. The Thing movement called for the people to recognize their Germanic roots and traditions. Plays were staged in these arenas to awaken in the people the notion of Fatherland and the German Folk. These arenas were later also used for political demonstrations for the propaganda of the Nazi Party. According to Joseph Goebbels, the Minister of Public Enlightenment and Propaganda in the Third Reich, these arenas were supposed to be the parliaments of their times—places where people could gather and discuss. The construction of Thingsstätten led to the dramatic staging of the Führer cult.

Through this fictional photographic reconstruction, the artist has tried to imagine the commissioning of a study by the Ministry of Propaganda of the NSDAP (National Socialist German Workers’ Party, commonly known as the Nazi Party) for the creation of a new kind of propaganda instrument. These documents, which could have been written by social scientists based on surveys and psychological tests, are in the nature of the scientific study and could have formed the first drafts of the plans for Thingsstätten. The pages which seem archived, lost or damaged, and rescued or rediscovered, reveal the decisions made regarding the design of the arenas, their locations, and use. Who conducted these studies and when remains unknown. Through this artwork, the artist subtly mocks the idea of scientific rationalization which disguises authoritarian fanaticism and tries to create a commentary not only of a past incident but to serve future times, with the increasing rise of nationalist sentiments not only in Western countries but also in his own homeland of India.

Personal Website Abhijit Pal

Abhijit Pal Propaganda Display conceptual Art Thingstätten project FH Bielefeld
Abhijit Pal: „Propaganda Display“ conceptual Art for the interdisciplinary Thingstätten project. Installation at FH Bielefeld, FB Gestaltung 2014 ©Abhijit Pal

Images from multiple sources, historic and comtemporary, create layers.

I was interested to see these layers recreated in three-dimensional space.

Using historic images from the “Ordensburg Vogelsang” archives, I projected them onto the same location as the original, with the help of several assistants and a heavy, transportable power generator.

Thingstätte im Nationalsozialismus interdisziplinäres Forschungsprojekt Kunst & WissenschaftFotografie Architektur Geschichte FH Bielefeld Katharina Bosse

The historic photograph of the inauguration ceremony of the Thingstätte was projected
onto the stone on its left side, letting us see a double image, past and present, at the
same time. 2014

The Thingstätte at Ordensburg Vogelsang is part of an architectural ensemble, using topographic layers and a mix of architecture and sculpture.

Analoge Fotografie auf der Spuren der heute vergessenen Thingstätten aus dem Nationalsozialismus in Bad Schmiedeberg, Northeim, Holzminden, Bückeberg und Stedingsehre.

Analoge Fotografie Portfolio

Katharina Bosse Website

Locations: Berlin, Borna, Herchen, Germany

“Visionary Sightseeing Binoculars” is an interactive public art project that aimed to stimulate diverse public awareness and discussion on the past and possible future uses of the architectural form of the Thingstätte. The Thingstätten are architectural forms that have been denounced by the German public and left to decay for 60 years, many situated in forests. They were used by the National Socialist Party in Germany in the 1930s to conduct youth plays, political rallies, and propaganda. Because of their contentious history, images of the sites have been destroyed; even the word Thingstätte itself was banned and the sites are not spoken about. The Thingstätten are underresearched and my work is part of a larger project in which a group of contemporary Jewish-American and German-American artists engage with the Thingstätten in their work. This larger group exhibition and catalogue is curated and written by Katharina Bosse.

Dokumentation des Public Art Projekts zum heutigen Umgang mit der der Geschichte der Thingstätten von Rebecca Hackemann. Ein Thingplatz oder eine Thingstätte war ein speziell gebautes Amphitheater für Propagandapräsentationen des NS-Regimes. Dieses Projekt untersucht die Orte heute und fragt, was soll aus Ihnen werden?

“ Visionary Sightseeing Binoculars” consisted of the following elements:

– A metal viewing device (already built) installed in a public square for several days in Borna, at the base of the Thingstätte in Herchen, and at Tempelhof Flughafen in Berlin. It contained one past and one present photograph of the town’s old Thingstätte in stereoscopic 3D (created in Photoshop) and one past and present image of the Thingstätte of another town.

– The artist and assistant were present at the site next to the piece introducing the project to visitors.

– A survey was conducted via a QR code app to ask what people had in mind for the future of the Thingstätte.

Even though many towns have a Thingstätte, they are often hidden in the outskirts and overgrown in forests. Many residents are unaware of their existence, or unaware of their history. In Herchen in particular, residents thought it was an old castle, and many had never visited it.

Ein von Rebecca Hackemann temporär installiertes Fernglas. Im Inneren sind stereoskope Bilder der Vergangenheit und der Gegenwart.
Rebecca Hackemann - Visionary sightseeing Binoculars - Interactive Public Art Project on Thingstätten Architecture built during National Socialism in Germany. Thingstätte Research Forschungsprojekt Thingplatz Interdisziplinär Architektur International Bauten Kunst Nationalsozialismus Forschung Erinnerungskultur FH Bielefeld Freilichtbühne Katharina Bosse Amphitheater Nazizeit Interdisciplinary National Socialism International Nazi Art Architecture Building, Culture of Remembrance, Amphitheater, open-air theater, Berlin
Historisches Bild im Fernglas, Berlin
Rebecca Hackemann - Visionary sightseeing Binoculars - Interactive Public Art Project on Thingstätten Architecture built during National Socialism in Germany. Thingstätte Research Forschungsprojekt Thingplatz Interdisziplinär Architektur International Bauten Kunst Nationalsozialismus Forschung Erinnerungskultur FH Bielefeld Freilichtbühne Katharina Bosse Amphitheater Nazizeit Interdisciplinary National Socialism International Nazi Art Architecture Building, Culture of Remembrance, Amphitheater, open-air theater, Berlin
Zeitgenössisches Bild im Fernglas, Berlin

Reactions Report

In Berlin, the binoculars were installed at the public park in 2015 which used to be Tempelhof Flughafen, now closed. It is a location that Berliners use to cycle on the old runways, walk, fly kites and enjoy the open air, public art and the occasional derelict airplane of which there are a few. The Tempelhof Flughafen has housed many contemporary art festivals that take place outdoors, and the audience, although mixed, is most likely to be used to seeing public art. The reaction of people in Berlin to seeing the images in the binocular stereoscope was one of curiosity and of openness.

Many visitors did not know that the Berlin Waldbühne had been built by the Nazis. Some however did know this, and also knew of other Thingstätte sites in Germany in the countryside. Yet most project visitors / passersby objected to being recorded via audio or video or to having their face depicted. This may be due to the ad hoc nature of this project, that was staged in a public place for passersby to see, or it may have to do with an increased sense of privacy felt in Germany in general, as compared to American audiences I have encountered through this project in the past.

Rebecca Hackemann - Visionary sightseeing Binoculars - Interactive Public Art Project on Thingstätten Architecture built during National Socialism in Germany. Thingstätte Research Forschungsprojekt Thingplatz Interdisziplinär Architektur International Bauten Kunst Nationalsozialismus Forschung Erinnerungskultur FH Bielefeld Freilichtbühne Katharina Bosse Amphitheater Nazizeit Interdisciplinary National Socialism International Nazi Art Architecture Building, Culture of Remembrance, Amphitheater, open-air theater, Herchen-Windeck
Historisches Bild im Fernglas, Herchen-Windeck
Rebecca Hackemann - Visionary sightseeing Binoculars - Interactive Public Art Project on Thingstätten Architecture built during National Socialism in Germany. Thingstätte Research Forschungsprojekt Thingplatz Interdisziplinär Architektur International Bauten Kunst Nationalsozialismus Forschung Erinnerungskultur FH Bielefeld Freilichtbühne Katharina Bosse Amphitheater Nazizeit Interdisciplinary National Socialism International Nazi Art Architecture Building, Culture of Remembrance, Amphitheater, open-air theater, Herchen-Windeck
Installation mit Betrachter in Herchen-Windeck

In Herchen an der Sieg, 16 people visited the binoculars within 3 hours, which were stationed at the foot of the hill where the Thingplatz is still today. People were open and curious, and wondered what the object was—it does not look like traditional art and, as intended, leads people to ask questions and wonder what it is, and what it is for. None of the participants knew that the architectural structure on the hill was a Thingplatz. Some thought it was a castle and they had not visited it. The local historian Franz Kluwe noted that many young people were not interested in it despite the town’s efforts and despite recent artistic projects having taken place the previous summer at the site.

Rebecca Hackemann - Visionary sightseeing Binoculars - Interactive Public Art Project on Thingstätten Architecture built during National Socialism in Germany. Thingstätte Research Forschungsprojekt Thingplatz Interdisziplinär Architektur International Bauten Kunst Nationalsozialismus Forschung Erinnerungskultur FH Bielefeld Freilichtbühne Katharina Bosse Amphitheater Nazizeit Interdisciplinary National Socialism International Nazi Art Architecture Building, Culture of Remembrance, Amphitheater, open-air theater, Borna
Zeitgenössisches Bild im Fernglas, Borna
Rebecca Hackemann - Visionary sightseeing Binoculars - Interactive Public Art Project on Thingstätten Architecture built during National Socialism in Germany. Thingstätte Research Forschungsprojekt Thingplatz Interdisziplinär Architektur International Bauten Kunst Nationalsozialismus Forschung Erinnerungskultur FH Bielefeld Freilichtbühne Katharina Bosse Amphitheater Nazizeit Interdisciplinary National Socialism International Nazi Art Architecture Building, Culture of Remembrance, Amphitheater, open-air theater, Borna
Historisches Bild im Fernglas, Borna

In Borna, myself and my assistant generally felt unwelcome. Art, here, may not have been the best way to engage the public’s attention, despite being stationed in the marketplace. People did not engage with it and looked at us in a strange way. The weather was also uncooperative. Borna is a town to which I would like to return to spend more time. It lay in stark contrast to Berlin, in the nature of people’s reactions in Herchen. Since the project is not overtly recognizable as art, interaction may have been doubly hard for Borna residents who may not have been exposed to as much public art as Berliners have been in Tempelhof.

Rebecca Hackemann

Rebecca Hackemann - Visionary sightseeing Binoculars - Interactive Public Art Project on Thingstätten Architecture built during National Socialism in Germany. Thingstätte Research Thingstätte Forschungsprojekt Thingplatz Interdisziplinär Architektur International Bauten Kunst Nationalsozialismus Forschung Erinnerungskultur FH Bielefeld Freilichtbühne Katharina Bosse Amphitheater Nazizeit Thingplatz Interdisciplinary National Socialism International Nazi Art Architecture FH Bielefeld Building Culture of Remembrance Amphitheater open-air theater
Stereoskope Bilder in der interaktiven Installation

The project entitled “Visionary Sightseeing Binoculars”

is a photographic and socially engaged travelling public

art project. It took place in Berlin, Borna and Herrchen

in March 2015 for 8 days.

Artist: Rebecca Hackemann Website

Fabrication design: John Stemler,

Northpenn Machine Works

Assistant: Nassim Rad

Als Thingplatz geplant, wurde diese Anlage bereits bei der Einweihung „Landtagsplatz“ genannt, da Goebbels´ Propaganda- Ministerium zuvor schon den Erlass zur Vermeidung des Begriffs „Thing“ herausgegeben hatte. Das Gelände ist größtenteils samt einem andernorts ab- und dort wieder aufgebauten Bauernhaus erhalten und gehört heute zum Museumsdorf Hösseringen, einem 1975 gegründeten Freilichtmuseum zur ländlichen Kulturgeschichte der Lüneburger Heide.[1]


[1] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S.236 f.

Baubeginn / Einweihung
1934 / 28.06.1936
                        
Architekt
Georg Gloystein
                                                           
Bezeichnung historisch / zeitgenössisch 
„Landtagsplatz“
            
Nutzung historisch

28.06.1936Aufmarsch der lokalen und regionalen SA, SS, HJ, RAD und DAF mit anschließender Rede des NS- Kreisbauernführers Gloystein
1936 – 1939Kundgebungsplatz für die Uelzener Kreisbauernschaft und Festplatz für Sonnenwendfeiern

[2]

Nutzung zeitgenössisch
Landwirtschaftsmuseum https://museumsdorf-hoesseringen.de/ 

Wissenswertes:

Die Bezeichnung „Landtagsplatz“ verdankt die Anlage der Historie des Bauplatzes: Urkundlich nachweisbar wurden hier bis 1652 die historischen Landtage des Fürstentums Lüneburg bei „freier Rede unter freiem Himmel“ abgehalten. Bei diesen sog. Landtagsabschieden berieten die Landstände des Fürstentums ab 1532 über gemeinsame Belange. Andere Quellen nennen einen großzügigeren Zeitraum ab dem 13. Jahrhundert.
Treibende Kraft des Vorhabens und federführend auch in der Realisierung war ab 1934 der Uelzener NS- Kreisbauernführer Georg Gloystein. Im selben Jahr begann er, den historischen „Landtagsplatz“ als NS- Kultstätte ausbauen zu lassen. Neben noch erhalten gebliebenen Findlingen aus der Zeit des Lüneburger Fürstentums beauftragte er die Bauern aus der Umgebung, Findlingssteine von ihren Höfen heranzuschaffen. 190 Stück sollten es sein und an der Seite eines jeden wurde in Fraktur der Name der jeweiligen Ortsbauernschaft eingemeißelt. Während einer Zusammenkunft der Bauernschaft sitzen die Ortsbauernführer in einer Halbkreisformation hinter dem Stein des jeweiligen Bezirksbauernführers. Deren Steine orientieren sich wiederum um eine Steinkanzel.
[3][4]


[1] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S.236 f.

[2] Kaldewei, Gerhard, Schwierige Schauplätze: (NS-)Kultstätten in Nordwestdeutschland. Eine Dokumentation zur regionalen Kulturgeschichte des Dritten Reiches, Isensee-Verlag Oldenburg, 2016, S. 43 ff.

[3] Stommer, 1985, ebd.

[4] Kaldewei, 2016, ebd.

Dieser auf dem Kamm des Teutoburger Waldes gelegene Ort in Form einer Thingstätte war nie eine Freilichtbühne und kein Teil des Bauprogramms des Propagandaministeriums ab 1934. Vielmehr sollte er eine Pilgerstätte für den von den Nationalsozialisten als Märtyrer stilisierten Horst Wessel dienen und natürlich für die Stadt Bielefeld ein Prestigeprojekt als Wessels Geburtsstadt sein. Mehrere Unternehmer setzten sich 1933 für den Gedenkstein im Teutoburger Wald nahe des „Eisernen Anton“ ein. Die Anstalt Bethel stiftete den 25 Zentner schweren Hauptstein[1]. 1945 wurde der Gedenkstein von Unbekannten entwendet oder gesprengt. Heute existiert ein Steintreppchen, mit welchem man gegenüber der Gaststätte zur Anhöhe gelangt, auf der der Gedenkstein stand, der Platz selber ist kaum sichtbar.[2]

Baubeginn / Einweihung
Unbekannt / 08.10.1933
                                   
Architekt
Unbekannt
                                                           
Bezeichnung historisch 
Horst – Wessel – Stein
            
Nutzung historisch

08.10.1933Einweihung des Gedenksteins
1934 – 1938 jährlich zum 23.02.Feierstunde mit Kranzniederlegung zum Todestag Wessels
09.10.1937„Horst- Wessel- Tag“ zum 30. Geburtstag des „Märtyrers“

[3]



Wissenswertes:

Zur Einweihung und dem „Horst- Wessel- Tag“ 1937 wurde jeweils die gesamte Stadt samt Umland miteinbezogen. Alles was an Menschen und Material aufgeboten werden konnte, wurde herangeschafft, um den Charakter einer Massenveranstaltung ausstrahlen zu können und der Angelegenheit die nötige Feierlichkeit zu geben.[4]

Neben dem Gedenkstein wurden in Bielefeld selbst am Geburtshaus von Horst Wessel eine Gedenktafel angebracht und eine ihm ebenbildliche Statue aus Bronze wurde 1939  gegenüber der Bielefelder NSDAP- Zentrale aufgestellt. Die Gedenktafel verschwand 1945 genauso schnell und verstohlen wie der Gedenkstein selbst, die Statue wurde bereits während des Krieges abgebaut und das Material vermutlich für die Herstellung von Kriegsgerät genutzt.[5]

Hitler selbst ist nie in Bielefeld gewesen, was für die damalige Zeit für die Bevölkerung eine große Enttäuschung war. Trotz aller Umbenennungen mehrerer Orte und Gebäude Bielefelds auf Hitler und trotz der Horst-Wessel-Aufmärsche: Lediglich in der Nähe Bielefelds war der damalige Reichskanzler einmal: Am 08. 07.1933, etwa drei Monate vor der Einweihung des Prestigeprojekts, landete er auf einem Flugplatz in der Nähe der Stadt, jedoch nur um direkt nach Dortmund weiterzureisen.[6]


[1] Emer, Wolfgang, „Bielefelds bestem Sohn – Die Einweihung des Horst-Wessel-Steins 1933“, in: Das Dritte Reich im Fest – Führermythos, Feierlaune und Verweigerung in Westfalen 1933-45, Verlag für Regionalgeschichte Bielefeld 1997, Hrsg. Werner Freitag S. 81-86

[2] Kühne, Hans-Jörg, „Böse Orte“. Unbeachtete Mahnmale des Nationalsozialismus in Bielefeld, in: Ravensberger Blätter: Organ des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg e.V. Band 2, Bielefeld 2017, S. 22 f.

[3] Kühne, 2017, S. 22

[4] Ebd.

[5] Kühne, 2017, S. 23

[6] Kühne, 2017, S. 24