Kamenz/ Sachsen
Es war kein Zufall, dass Kamenz den ersten Thingplatz Sachsens erhalten sollte. Die geographischen Vorteile überzeugten das Propagandaministerium. Vorteilhaft an drei Lagern des Reichsarbeitsdienstes gelegen, gab es ein Großaufgebot an Arbeitern in nächster Nähe. Auch ein Truppenübungsplatz war nicht weit entfernt, ebenso die geplante Reichsautobahn. Oberhalb des Thingplatzes wurde ein bereits 1933 geplantes Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtet. Seine 5 Granitsäulen waren schon von weitem zu sehen. Als Heimatstadt Lessings hatte man auch kulturell einen berühmten Sohn der Stadt vorzuweisen. Nicht zuletzt war die Stadt direkt im „Grenzland“ zu sorbischem und slawischem Sprachgebiet und somit „Einfallstor zur Wendei“, was für die NS- Ideologie hinsichtlich der „Lebensraum im Osten“- Politik symbolisch bedeutend war. Somit war es prädestiniert für die Bevorzugung der Planung des Thingplatzes und Finanzierung. Heute wird das Areal als Freilichtbühne genutzt. Von den Granitsäulen des Ehrenmals sind die Sockel erhalten.[1][2][3]


Baubeginn / Einweihung
10.03.1934 / 02.06.1935
                                   
Architekt
Ludwig Moshamer, Berlin
                                                           
Bezeichnung historisch / zeitgenössisch 
Thingplatz / Hutbergbühne[4]
            
Nutzungsgeschichte

01./02.06.1935Übergabespiel von A. Schroeder
22.06.1935Sonnwendfeier
Unbekannt„Neurode“ von Kurt Heynicke
August 1937„Spiel vom Kamenzer Forstfest“

[5][6]

Nutzung zeitgenössisch / Link
Zahlreiche Konzerte und Events finden ganzjährig auf dem Gelände statt.
https://www.hutbergbuehne-kamenz.de/


Wissenswertes
Die Aufführungen während der Zeit des Nationalsozialismus waren ein Großaufgebot an Staffage und Darstellern. „Teilweise waren mehr Leute auf der Bühne zu sehen, als Zuschauer auf den Sitzrängen“.[7]

Aufgrund der sich im Landkreis ausbreitenden Maul- und Klauenseuche wurde die Aufführung „Spiel vom Kamenzer Forstfest“ für den August 1938 vom Bezirkstierarzt „im Einvernehmen mit der Kreisleitung“ untersagt.[8]


[1] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag, Marburg 1985, S. 213.

[2] Bosse, Katharina, Thingstätten, Kerber- Verlag, Bielefeld 2020, S. 121.

[3] Hermann, Matthias, Thingplatz und Kriegerehrenmal auf dem Hutberg in Kamenz, Dresden 1993, S. 17.

[4] Stommer, S. 213.

[5] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag, Marburg 1985, S. 213

[6] Bosse, S. 121.

[7] Bosse, S. 121, aus einem Interview mit Stadtarchivar Thomas Binder

[8] Hermann, S. 27.

Holzminden / Niedersachsen

Dieser Thingplatz stand unter der Patenschaft des NS- Lehrerbundes und wurde offiziell erst am 11.05.1934 als Thingplatz anerkannt, obwohl Holzminden im Bauprogramm des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda erwähnt wird. Die Errichtung selbst verlief planmäßig und ohne größere Verzögerungen, weshalb nach weniger als sechs Monaten auch die Einweihung der Thingstätte stattfinden konnte. Als Bauplatz wurde der Stadtpark vorgesehen, der auf einer Anhöhe gelegen einen Blick über die ganze Stadt bis zu den Weserbergen erlaubte. Der Anlage war eine Hangwiese vorgelagert, welche als Aufmarschplatz dienen sollte. Der Thingplatz selbst wurde als Ring im Ring realisiert: Die Zuschauertribüne bildete einen äußeren, die Bühne einen inneren Kreissektor. Mit 4.500 Sitzplätzen, auf mit wenigen Stufen leicht erhöhten Terrassen, galt die Spielstätte im Vergleich zu anderen Thingstätten als mittelgroß.
Die Anlage ist im Stadtpark gelegen und in Teilen erhalten. [1]

Baubeginn / Einweihung                                  
April 1934 / 22.09.1934 
            
Architekt                                                        
Ernst Zinsser, Berlin     

Bezeichnung historisch / zeitgenössisch                        
Thingplatz (Holzminden)

Nutzungsgeschichte

22.09.1934„Übergabespiel“ von Max Barthel
22.09.1934 und 23.09.1934„Heilige Straße“ von A. Bergmann
1934/ 1935Aufführungen durch die Niedersächsische Spielgemeinschaft
Juni 1935„Deutsches Jugendfest“

[2]

Nutzung heute
„Spielplatz am Thingplatz“/ Grillplatz

Wissenswertes:
Treibende Kraft für den Bau einer Holzmindener Thingstätte war der Bürgermeister der Stadt, Albert Jeep. Nach der sehr frühen Genehmigung zum Bau seitens der zuständigen „Landesstelle Niedersachsen des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda“ sah er euphorisch seine Stadt „zum Mittelpunkt des kulturellen und künstlerischen Lebens wie es das dritte Reich dem Volke zu vermitteln gedenkt“[3] auserkoren. Die Arbeiten wurden vom Freiwilligen Arbeitsdienst (FAD) durchgeführt, sehr zur Freude der Stadt, aufgrund der dadurch kostengünstigeren Realisierung des Projekts. Der Abtransport von abzutragender Erdmasse erfolgte mit einer eigens für den Bau provisorisch angelegten Schienenstrecke mit Loren. 
Nach der Einweihung wurden bei nachfolgenden Baumaßnahmen die Tribünen nochmals erweitert. [4]


[1] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S. 212

[2] Ebd.

[3] Stadtarchiv Holzminden: A.1 Nr. 1509.

[4] Seeliger, Matthias, Aus der Bildsammlung des Holzmindener Stadtarchivs: Erinnerungen an die Arbeitszeit in Holzminden 1934, in: Jahrbuch für den Landkreis Holzminden, Band 35/36, 2017/18, S. 153- 170

Herchen-Windeck/ Nordrhein- Westfalen

Eine Thingstätte, mit noch heute beeindruckender optischer Wirkung thront auf einem Bergkamm oberhalb des kleinen Ortes Herchen im Rhein-Sieg-Kreis. Über sie ist recht wenig bekannt. Weder taucht sie im Bauprogramm des Reichspropagandaministeriums auf, noch findet man heutzutage genug Quellenmaterial darüber. Bekannt ist, dass der damalige Reichs­füh­rer der Deut­schen Ar­beits­front (DAF) Robert Ley, welcher im ca. 17 Kilometer entfernten Niederbreidenbach geboren wurde, an dem Bau beteiligt war. Durch eine vorherige Tätigkeit am örtlichen Pädagogium war ihm das Gebiet um Herchen eng vertraut. Des Weiteren gab es Verbindungen zum damaligen Bürgermeister Otto Simon, welcher den Bau unterstützte. Dass Hitler bereits ein Jahr vor der Machtübernahme dortzum Ehrenbürger ernannt wurde, war gewiss kein Zufall.

Baubeginn / Einweihung
1934 / nicht bekannt
                        
Architekt
Nicht bekannt
                                                           
Bezeichnung historisch 
Thingstätte Herchen

Nutzungsgeschichte
– 1936 – 1938 „Heldengedenkfeier“
Veranstaltungen des örtlichen Kriegervereins
– heute inoffizielles Ausflugsziel am Wanderweg Natursteig Sieg

Wissenswertes:

Seit 1986 ist das Gelände in der Denkmalliste der Gemeinde eingetragen.

Der örtliche Bürger- und Verschönerungsverein bemüht sich um eine Dokumentation und Archivierung von Fotografien und Dokumenten, die von der Thingstätte erhalten sind.

Der Bau ist verhältnismäßig gut erhalten. Oberhalb davon ist das Baujahr 1934 im Boden mit Steinen eingelassen. Das Ehrenmal in Form einer Rotunde unterhalb der ehemaligen Zuschauerreihen enthält, bis heute gut lesbar, die Inschrift „Geboren als Deutscher – Gelebt als Kämpfer – Gefallen als Held – Auferstanden als Volk“. Auf der Rückseite des Ehrenmals befindet sich verdeckt, ein historisches Hakenkreuz, welches bis heute nicht entfernt wurde.

Ein Informationsschild über die nationalsozialistische Geschichte des Geländes unter der Überschrift „Ein unbequemes Denkmal“ wurde nach kurzer Zeit von Unbekannten entwendet und musste erneuert werden. Es zeigt, wie schwierig der Umgang mit der NS- Vergangenheit heute noch ist. Auch spielt die Sorge der Anwohner eine nicht zu unterschätzende Rolle. So soll die Thingstätte auf keinen Fall ein Treff- und Kultplatz für rechtsextreme Gruppen bilden.[1]


[1] Sämtliche Informationen aus: Bosse, Katharina, Thingstätten, Geymüller-Verlag, Achen 2021 S. 124 ff.

Halle- Saale/ Sachsen- Anhalt

Die Thingstätte war die „erste Thingstätte des Reiches“. Das Gelände wurde bereits zu den Feierlichkeiten zum „Tag der Arbeit“ am 01.05.1933 genutzt. Dass dieser Platz für den Bau einer Thingstätte besonders gut geeignet war, lag zum einen an den landschaftlichen Gegebenheiten vor Ort, zum anderen an der vorteilhaften Infrastruktur: Durch den in einer Mulde gelegenen Platz war ein natürlicher Hang vorhanden, welcher sich zur Gestaltung eines Zuschauerraumes anbot. Außerdem befanden sich zwei Straßen und eine Straßenbahnverbindung in nächster Nähe. Ergänzend zum Thingplatz wurde ein „Ehrenmal der Arbeit“ in Form einer Kuppelhalle errichtet, die als ideologisch vorgesehene Gedenkstätte obligatorisch zum Konzept der Thingstätten gehörte. Die Anlage ist heute in Teilen noch erhalten, wenn auch sehr verfallen und überwuchert.[1]

Baubeginn / Einweihung
19.02.1934 / 01.05.1934, bzw. 05.06.1934
                                   
Architekt
Ludwig Moshamer, Berlin
                                               
Bezeichnung historisch / zeitgenössisch 
Brandberge[2]
            
Nutzung historisch

01.05.1934„Festthing“
05.06.1934Uraufführung des Thingspiels „Neurode. Ein Spiel von deutscher Arbeit.“ von Kurt Heynicke
22.06.1934Sonnwendfeier unter Anwesenheit Goebbels´ mit 225.000 Personen
07.08. – 11.08.1934„Deutsche Passion 1933. Hörwerk in sechs Sätzen.“ von Richard Euringer
11.09. – 14.09.1934„Das große Wandern: Ein Spiel vom ewigen deutschen Schicksal.“ von Kurt Eggers
September 1934 (sechs Aufführungen)Werbeaufführungen des Stadttheaters, u.a.:
„Tell“ und „Wallensteins Lager“ von Friedrich Schiller und „Torgauer Heide“ von Otto Ludwig
August 1935
(Mitteldeutsche Spielgemeinschaft)
„Aufbricht Deutschland: Ein Stadionspiel der nationalen Revolution“ von Gustav Goes
04.09.1935
(Mitteldeutsche Spielgemeinschaft)
Thingspiel „Saal und Ernte“ von Karl Kunz
Ab 1936„Mitteldeutsche Festspiele“ u.a. wieder mit „Tell“

[3][4][5][6]

Nutzung zeitgenössisch

Das Gelände wurde teilweise als Parkplatz überbaut. Das restliche Areal ist von Wildwuchs überdeckt.[7]

Wissenswertes:

Das erste Theaterstück in der neuen Gattung des Thingspiels  wurde am 5.6.34 uraufgeführt: „Neurode. Ein Spiel von deutscher Arbeit.“ von Kurt Heynicke[8]


[1] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S. 64 ff. und S.211

[2] Ebd.

[3] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S.211

[4] Bosse, Katharina, Thingstätten, Geymüller-Verlag, Aachen 2021, S. 113

[5] Krivanec, Eva, Kriegsbühnen: Theater im Ersten Weltkrieg. Berlin, Lissabon, Paris und Wien, transcript Verlag Bielefeld, 2012, S. 95

[6] Seifert, Manfred, Kulturarbeit im Reichsarbeitsdienst, Internationale Hochschulschriften Band 196, Waxmann Verlag Münster/ New York, 1996, S. 306

[7] Bosse, 2021, S. 113

[8] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S.211

Thingstätte Góra Świętej Anny ehem. St Annaberg/ Polen

Dass der erste Thingplatz Schlesiens genau dort erbaut werden sollte hatte drei Gründe: Hoch auf dem Annaberg thronte eine Kirche, das Gelände war also bereits religiös bedeutend. Zudem fanden dort 1921 Kämpfe im Rahmen des 3. Oberschlesischen Aufstands statt, in dem deutsche paramilitärische Freikorps in Kämpfe mit polnischen Aufständischen verwickelt waren. So hatte man den nötigen mystischen Heldencharakter an Ort und Stelle, um ergänzend zum geplanten Thingplatz ein Mausoleum zu errichten. Nicht zuletzt ein alter Kalksteinbruch sollte sich als nützlich erweisen, um mit so wenig Sprengungen wie möglich die größte Thingstätte des Reiches zu errichten, in der – je nach Quellenangabe – 30.000 bis 50.000 Menschen Platz gehabt hätten.[1][2]

Allgemein:

Baubeginn / Einweihung
14.07.1934 / 22.05.1938
                        
Architekt
Franz Böhmer, Georg Petrich, Berlin[3]
                                   
Bezeichnung historisch / zeitgenössisch 
„Feierstätte der Schlesier“[4] / Geopark Góra Świętej Anny[5]
            
Nutzung historisch
Keine Aufführungen belegt.

Nutzung zeitgenössisch
Beliebtes Ausflugsziel. Keine offizielle Nutzung.
http://geopark-goraswanny.pl/5/aktualnosci.html 
http://muzeum.opole.pl/o-muzeum/muzeum-czynu-powstanczego/


Wissenswertes:

Das von den Nationalsozialisten erbaute Mausoleum wurde 1945 abgerissen. 10 Jahre später wurde hier – quasi als Kontra- Bau – das „Denkmal der Aufständischen Tat“ errichtet. Am Fuße des St. Annabergs gelegen, gibt es auch ein gleichnamiges Museum.[6][7]


[1] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S. 205 f.

[2] Wielgosik, Beata, „Annaberg“, in: Bosse, Katharina, Thingstätten, Geymüller-Verlag Aachen 2021, S. 153

[3] Stommer, 1985, ebd.

[4] Wielgosik/ Bosse, 2020, ebd.

[5] Siehe Link bei „Nutzung zeitgenössisch“

[6] Wielgosik/ Bosse, 2020, ebd.

[7] Siehe Link bei „Nutzung zeitgenössisch“

Leutkirch/ Baden- Württemberg
Ursprünglich war der Bauplatz auf dem „uralten Thingplatz“ des „Landgerichtes auf der Leutkircher Haide“ vorgesehen. Ob dort je ein solcher altertümlicher Thingplatz gewesen ist, darf bezweifelt werden. Schnell stellte sich heraus, dass das dortige Gelände zu große Landschaftsveränderungen erfordert hätte, um die mit 3.000 – 5.000 Sitzplätzen geplante Thingstätte zu errichten. So entschied man sich für ein Grundstück auf der sogenannten Vogelhalde. 
Erst am Ende des Jahres 1940 konnte der Leutkircher Thingplatz fertiggestellt werden. Vor allem der Mangel an Geld und Arbeitskräften war hierfür ausschlaggebend. Da es nie zu einer Einweihung gekommen ist, gab es auch keinerlei Veranstaltungen. Bereits 1946 wurden die Zuschauerterrassen abgebaut. Auf dem heutigen Gelände lässt so gut wie nichts mehr auf einen Thingplatz schließen. [1]

Baubeginn / Fertigstellung
31.07.1936 / November 1940
                                   
Architekt
Fritz Schaller, Berlin
                                               
Bezeichnung historisch / zeitgenössisch 
Thingplatz (an der Vogelhalde)
            
Wissenswertes:

Ähnlich wie im Beispiel Lamspringe, wurde die Gemeinde Leutkirch mit den finanziellen und logistischen Herausforderungen des Bauprojekts kurz nach den notwendigen Genehmigungen vom Reichsministerium allein gelassen. Weder der freiwillige Arbeitsdienst (FAD), noch finanzielle Unterstützung durch Mittel des Reiches standen zur Verfügung, weshalb auf örtliche Initiative hin das Vorhaben noch vor einem Scheitern bewahrt werden konnte. Jedoch nur durch großen, persönlichen Aufwand vieler. Gemeinde, Mitglieder der Parteigliederungen vor Ort und Anwohner leisteten Tausende unentgeltliche Arbeitsstunden. Die Baukosten wurden größtenteils durch Spenden finanziert. Nach vier Jahren war die Thingstätte errichtet, doch NS- Deutschland befand sich seit einem Jahr im Krieg. Eine Einweihung fand nie statt, auch zu Aufführungen kam es während des Krieges nicht mehr. [2]


[1] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S. 214 f.

[2] Ebd.

Schwarzenberg/ Sachsen
Ein ehemaliger Granitsteinbruch diente für diese Thingstätte als Bauort, anders als sonst für Moshamers Entwürfe charakteristisch, in exponierter Hanglage. Auch in Schwarzenberg schossen die Baukosten entgegen der anfänglichen Kostenvoranschläge nach oben, weshalb die Fertigstellung erst vier Jahre später erfolgte.[1]

Baubeginn / Einweihung
11.03.1934 / Mai 1938
                                   
Architekt
Ludwig Moshamer, Berlin
                                               
Bezeichnung historisch / zeitgenössisch 
Grenzlandfeierstätte, ab 1950 „Wilhelm-Pieck-Feierstätte“[2] / Waldbühne
            
Nutzung historisch

1938Weihespiel von Thilo Schellers[3]„Frankenburger Würfelspiel“ von Möllers
04.06.1939„Tonnenberg“ von Basner (geplant)

[4]

Nutzung zeitgenössisch / Link
Zahlreiche Events, Konzerte, Festivals / https://waldbuehne-schwarzenberg.de/


Wissenswertes:

Die Thingstätte in Schwarzenberg ist heute mit 21.000 konzipierten Plätzen[5] die größte Freilichtbühne im Freistaat Sachsen.[6] Die – auch aufgrund der schwierigen Arbeitsbedingungen in der Hanglage[7] – erheblichen Kostenüberschreitungen gegenüber den Voranschlägen führten dazu, dass das Propagandaministerium und das Land den Bau mit Finanzierungshilfen unterstützen mussten. In den Jahren 1938 und 1939 spielte in Schwarzenberg die Spielgemeinschaft der Freilichtbühne in Ehrenfriedersdorf.[8] Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Thingstätte in „Wilhelm-Pieck-Feierstätte“ umbenannt und diente u.a. der Ausrichtung von Propagandaveranstaltungen der DDR.[9]

Heute wird die Freilichtbühne für „Großveranstaltungen aller Art“ und insbesondere für Open-Air-Konzerte genutzt.[10]


[1] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S. 217.

[2] Schmeitzner, Mike / Weil, Francesca, Sachsen 1933 – 1945. Der historische Reiseführer, Ch. Links Verlag, Berlin, 2014, S. 37.

[3] Seifert, Manfred, Kulturarbeit im Reichsarbeitsdienst, Waxmann-Verlag, Münster/New York, 1996, S. 307.

[4] Stommer, 1985, ebd.

[5] Schmeitzner / Weil, 2014, ebd.

[6] Jähne & Wagner GbR, Webpräsenz der Waldbühne Schwarzenberg, Link: https://waldbuehne-schwarzenberg.de/geschichte.php[abgerufen am 17.03.2020].

[7] Weihsmann, Helmut, Bauen unterm Hakenkreuz, Promedia- Verlag Wien, 1998, S. 202.

[8] Stommer, 1985, ebd.

[9] Schmeitzner / Weil, 2014, ebd.

[10] Jähne & Wagner GbR, Webpräsenz der Waldbühne Schwarzenberg, Link: https://waldbuehne-schwarzenberg.de/geschichte.php[abgerufen am 17.03.2020].

Simon Schubert: Thingstätte in der Ebene, 2015, 70 x 100 cm, Papier

Interview mit Simon Schubert

Was hat dich an dem Thingstätten Projekt interessiert?

Mich hat vor allem der architektonische Aspekt des Projekts in Verbindung mit der historischen Dimension interessiert und wie die Architektur von den Nationalsozialisten eingesetzt wird, um einen Ort zu erschaffen, der eine gemeinschaftliche Identität und eine pseudoreligiöse Gemeinschaft stiften soll. Die bewußte Anknüpfung an architektonische Vorlagen aus der Römerzeit und anderen früheren Kulturen wurde von den Nationalsozialisten gezielt eingesetzt, um etwas Erhabenes zu schaffen.

Warum hast Du Dich zu der Teilnahme entschieden?

Never forget. Man muss sich immer mit den Nationalsozialisten und Ihren Taten auseinandersetzenund wie ihre Ideologie und die sichtbaren Zeichen ihrer Herrschaft bis in die heutige Zeit, teils unbemerkt, hineinwirken. Ästethisch interessieren mich die Bauten, da sie sich wie eine Faltung aus der Fläche / Ebene erheben und somit nah an dem architektonischen Grundgedanken meiner Falttechnik und Falträume befinden. Raum /Architektur verstehe ich als aus der Fläche gefaltet. Die dritte Dimension entsteht durch Faltung der zweiten Dimension. Ich habe mich nach der Recherche der architektonischen Entwürfe dazu entschieden, das typologische, die wiederkehrenden Elemente aufzugreifen.

Kannst du etwas von deinen Erfahrungen und Erlebnissen mit dem Projekt erzählen?

Interessant, aber auch erschreckend war zu sehen, wo sich und wieviele der Thingstätten heute noch befinden und noch auf andere Art und Weise genutzt werden. Vermutlich ist in den meisten Fällen kaum jemandem bewusst, dass diese Bauten, die teilweise viel genutzt werden (Berliner Waldbühne, Bad Segeberg / Karl-May-Spiele) auf die Nationalsozialisten zurückgehen. Es war spannend in der Kölner Theaterwissenschaftlichen Sammlung und anderen Archiven zu recherchieren.

Thingstätte in der Stadt, 2015, 70 x 100 cm, Papier

3 d Modell Thingstätte in der Ebene mit Renderings


3 d Modell Thingstätte am Hang mit Renderings

Ein 3d Projekt von Daniel Hinz, Archäologe, Historiker und 3d Artist


Architektur und Typologie der Thingstätten

In der Architektur der Thingstätten[1] finden sich wiederkehrenden Elemente. Ihre Aufgabe war es, die Idee der „Volksgemeinschaft“ architektonisch erfahrbar zu machen. Das Amphitheater selbst wurde oft mit einem Kriegerdenkmal und einem Aufmarschgelände kombiniert. Das Aufmarschgelände wurde für politische Versammlungen oder die Formierung vor dem „Einzug“ in die Spielstätte genutzt.

Bühne und Schauraum sollten fließend ineinander übergehen. Es gab keine Trennung durch einen Vorhang oder versteckte Ab- und Aufgänge der Darstellenden. Im Gegensatz zum antiken und städtischen Theater sind Schauraum und Spielraum durch Rampen und Treppen miteinander verbunden.

Die Bühne war in drei Ebenen gegliedert. Die Vorderbühne schaffte die Verbindung zum Schauraum und bot Platz für die zahlreichen Komparsen und Komparsinnen des chorischen Spiels. Dahinter erhob sich die Mittelbühne. Die oberste Ebene setzte teils außen an dem gesamten Kreis oder Oval an und erinnerte an den kirchlichen Altarraum, teils war sie in den Gesamtkreis miteingeschlossen, behielt aber ihren „weihevollen“ Charakter.

Die Architektur wurde in die sie umgebende landschaftliche Topographie eingebunden. So entwickelten sich typische Pläne für die „Thingstätte am Hang“ oder die „Thingstätte in der Ebene“, deren Formsprache wiederholt aufgegriffen wurde.

Kunstprojekt von Simon Schubert zur Typologie der Thingstätten

Es gab keine hinzugefügten Kulissen. Die Architektur selbst war die Bühne, mit ihrem trutzigen Naturstein sah sie schon damals nicht modern aus. Eher vermittelte sie eine Instant-Geschichtlichkeit. Die Aneignung und propagandistische Verfremdung von Geschichte im NS-Staat wird durch den Begriff „Thingstätte“ (eigentlich eine historische Versammlungsstätte) deutlich.

Katharina Bosse


[1] Zur Architektur der „offiziellen“ Bauten siehe Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985 S. 174-185. Die „inoffiziellen“ Thingstätten, aber auch einige offizielle Bauten, konnten auch abweichende Strukturen aufweisen und mehr den Gedenk- oder Versammlungscharakter betonen. (z.B. der „Sachsenhain“ in Verden)

Zum Weiterlesen:

Annuß, Evelyn, „Volksschule des Theaters“, Wilhelm Fink Verlag, 2019, Kapitel 4 „Architekturtheater“ S. 175 ff.

Zum germanischen Mythos im Rechtsextremismus : https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/258737/der-mythos-vom-germanen-ueber-einen-identitaetsstiftenden-kult-im-rechtsextremismus/