Bückeberg/ Niedersachsen
Bereits seit 1933 als Festgelände für das „Reichserntedankfest“ genutzt, sollte die am Nordwesthang des Bückebergs künstlich planierte, große Rasenfläche ab 1935 zur Thingstätte ausgebaut werden. Auch hier gab es wieder reichlich symbolisch- ideologische Gründe, aber auch ganz pragmatische, um sich für diesen Ort zu entscheiden: Die Gegend in Niedersachsen galt den Nationalsozialisten als das Land des freien, kämpferischen und „unverfälschten“ Bauerntums. Auch die Nähe zur Weser hatte eine wichtige Bedeutung: Ein Fluss, der von der Quelle bis zur Mündung durch „deutsches Land“ fließt. Doch konnte sie auch für die geplanten Massen an Besuchern eine Anreisemöglichkeit bieten. Genauso die günstige Situation aus mehreren Bahnstrecken in nächster Nähe kamen der Planung entgegen. Das Areal steht seit 2011 unter Denkmalschutz. Von den bis Kriegsbeginn fertiggestellten Teilen ist heute so gut wie nichts mehr zu sehen. [1][2]
Baubeginn / Einweihung
Frühjahr 1935 / Nicht vollendet
Architekt
Albert Speer, Berlin
Bezeichnung historisch / zeitgenössisch
„Reichsthingstätte“ Bückeberg
Nutzung historisch
Reichserntedankfest 1933 – 1937. Ab 1935 mit Schauübung der Wehrmacht.[3][4]
Nutzung zeitgenössisch
Seit 2021 befindet sich am Ort der ehemaligen Thingstätte ein Dokumentations- und Lernort, welcher das Gelände durch ein Wegenetz und Informationstafeln erschließt.
http://bueckeberg-ggmbh.de/
https://www.dokumentation-bueckeberg.de/index.php
Wissenswertes:
Das erste Fest im Jahre 1933 – noch ohne landschaftsbauliche Veränderung – war ein Desaster für die NS- Führung. Die angereisten Menschen waren überwiegend ortsfremd und fanden in der Dunkelheit den Weg zu den verschiedenen Bahnhöfen nicht mehr zurück.[5]
In der Flussebene der Weser, unweit des untersten Tribünenabschnitts entfernt, entstand ab 1935 das „Bückedorf“. Es war eine künstlich geschaffene Ortschaft, welche ab dem Reichserntedankfest im selben Jahr und bei den folgenden 1936 und 1937 Ziel einer materiell umfangreichen und zeitlich ausgedehnten Schau- Gefechtsübung wurde. Unter Anwendung aller verfügbaren Waffengattungen ging das „Bückedorf“ jährlich in Flammen auf.[6]
Um an frühere christliche Traditionen anzuknüpfen und im Sinne der NS- Ideologie eine kulturelle Aneignung zu vollziehen, wurde das Reichserntedankfest einem Gottesdienst nachempfunden: Gleich wie ein Priester nahm Hitler den „Weg durchs Volk“, um zur „Höhe empor“ am „Altar“ anzukommen.[7]
Die Festteilnehmenden kamen aus dem ganzen Reich nach Hameln. Manche hatten eine Hin- und Rückreisezeit von bis zu 60 Stunden. Nur für das Reichserntedankfest wurden 1937 ca. 500 Züge bereitgestellt, in denen jeweils zwischen 1000 und 1200 Menschen anreisten. Diese kamen teilweise im Minutentakt am Hauptbahnhof in Hameln an und benötigten mehrere Kilometer Gleise, um sie bis zum Zeitpunkt der Abreise abstellen zu können.[8]
Bis zur Ankunft Hitlers wurde den FestbesucherInnen ein opulentes Vorprogramm geboten: Marschmusik der Wehrmacht, Massenchöre, Flug- Shows, Bootformationen auf der Weser, Sing- und Spielgruppen mit unterschiedlichsten Darbietungen, sowie Turnübungen zur Demonstration der „Lebenskraft des deutschen Mannes“.[9]
[1] Stommer, Rainer, Die inszenierte Volksgemeinschaft, Jonas- Verlag Marburg, 1985, S. 233 f.
[2] Gelderblom, Bernhard, „The Reichsthingplatz / The Reichsstätte Bückeberg – Showplace of the
Reich´s Harvest Festival. Die Ästhetisierung von Gewalt und Politik“, in: Bosse, Katharina, Thingstätten, Geymüller Verlag 2021, S. 222-228
[3] Stommer, 1985, ebd.
[4] Gelderblom/ Bosse, 2021, ebd.
[5] Ebd.
[6] Ebd.
[7] Ebd.
[8] Ebd.
[9] Ebd.