Interview mit Thomas Binder, Stadtarchiv Kamenz, 2015, über die Geschichte der Hutbergbühne als „Thingstätte“, die 1935 von den Nationalsozialisten erbaut wurde.
Mein Name ist Thomas Binder, ich bin der Stadtarchivar hier in Kamenz seit 2006. Hier oben auf dem Hutberg sollte für die Gefallenen des 1. Weltkrieges ein Denkmal entstehen, das war 1933 das vorrangige Ziel. Als im Sommer von der Reichskulturkammer die Idee der Thingplätze aufkam, bewarb sich Kamenz ebenfalls, um einen solchen Platz zu schaffen. Somit liefen beide Projekte parallel. Die Spatenstiche erfolgten im Frühjahr 1934 und es kam zu den Bauarbeiten. Die bauausführenden Gewerke übernahmen Kamenzer Betriebe, die vom Reichsarbeitsdienst unterstützt wurden. Sie sollten hier in der Nähe ein Ehrendenkmal erhalten.
Im Frühjahr 1935 sollten hier an dieser Stelle Thingplatz und Ehrenmal, heute nicht mehr sichtbar, an die Öffentlichkeit übergeben werden. Es gab die üblichen für Thingplätze schon vorbereiteten Spiele, die hier zur Aufführung kamen, aber es gab auch besondere Stücke, die sich unmittelbar mit Kamenz befasst haben. Zum Beispiel wurde das Forstfest in Zusammenhang mit dem legendären Zusammentreffen der Hussiten thematisiert. Diese hausten einst im Kamenzer Forst. Der Legende nach besänftigten die germanischen Kinder die slawischen einfallenden Heere mit ihren weißen Gewändern und ihren Blumenkränzen. Man sah sich damals in Kamenz als das Einfallsort in die Wendei, in das slawische Sprachgebiet. Daher war der Ort prädestiniert dafür, dass sowas hier zur Aufführung kam.
Hauptsächlich gab es große Massenaufläufe. Im Stadtarchiv Kamenz gibt es einige Bilder, die das bezeugen. Großaufgebote an Staffage war nötig, um diese Spiele vorzubereiten. Man kann sagen, teilweise standen mehr Leute auf der Bühne, als Zuschauer dort saßen.
Es war sicherlich ein Phänomen der Zeit gewesen. Viele Städte hatten sich darum beworben. Die Thingstätte war die erste in Sachsen. Man konnte zum einen argumentieren, dass es mit dem Ehrenmal bereits Bauarbeiten auf dem Hutberg gibt und idealerweise gab es die Besonderheit, dass die Stelle auf einem Berg gelegen war und man somit weit ins Land hinausblicken konnte.
Wenn Sie Postkarten, Fotos oder Filmaufnahmen der damaligen Zeit sehen, war die Bewaldung hier noch gar nicht so stark.
Es ging auch um die arische Abstammung des deutschen Volkes und gerade im Zusammenhang mit den Sorben war dieser Ort in besonderer Weise prädestiniert dafür, als erster Ort in Sachsen eine Thingstätte einzuweihen.
Es sind fünf Säulen für jedes Kriegsjahr. 1914 bis 1918. Auf diesen Säulen befanden sich lediglich die jeweiligen Jahreszahlen, gekrönt durch eine kleine metallene Pyramide. Zu Füßen jeder Säule stand eine Feuerschale, die nachts entzündet wurden und somit die Säulen angestrahlt hatten.
Die Freilichtbühne hat gleich nach 1945 wieder ihre Berechtigung im Kulturleben der Stadt gefunden, vor allem für Aufführungen von Musikveranstaltungen. Nach 1989 kamen dann zu den vielen inländischen Musikgruppen auch einige aus dem Ausland. Die Freilichtbühne wurde für kulturelle Veranstaltungen genutzt, ohne dass es in irgendeiner Weise politische Abwägungen dazu gegeben hätte.