Zusammenfassung des Artikel von Dr. Karsten Schröder, Stadtarchiv Rostock.
Veröffentlicht im MecklenburgMagazin. Regionalbeilage der SVZ und der
NNN, Nr. 20/1994 (30.09.1994), S. 9
Im Zuge der Thingbewegung, ein Kulturkonzept im Nationalsozialismus zur Errichtung von ideologisch motivierten Freilichtbühnen, wurde Anfang der 1930er Jahre auch in Rostock ein Amphitheater errichtet. Diese Thingstätten wurden architektonisch aufwendig entworfen und naturnah erbaut. Insgesamt planten die Nazis für Deutschland knapp 400 Thingplätze, in denen jeweils über 10.000 Zuschauende Platz finden sollten.
Die Bühne in den Barnstorfer Anlagen in Rostock war der erste Thingplatz in Mecklenburg. Mit dem symbolischen Spatenstich am 21. März 1934 zum Bau der nationalsozialistischen Architektur sollte die Grundlage für eine breitgefächerte Thing-Propaganda geschaffen werden. Dazu gehörten Theaterstücke, die mit bis zu 2.000 Schauspielende aufgeführt wurden. Ziel war es, das Arbeits- und Gemeinschaftsgefühl des Volkes zu stärken. Massenaufmärsche, Weihestunden und sog. „Volkssingspiele“ waren ebenfalls Teil der nationalsozialistischen Propaganda. Letztendlich nahm die Bauzeit des Rostocker Thingplatzes ein Jahr und zwei Monate in Anspruch. 12.000 Kubikmeter Erdmasse wurden bewegt, eine 350 Meter lange Umfassungsmauer aus Feldsteinen errichtet und gegenüber der Aufführungsbühne zwei Beleuchtungstürme gebaut. Sie ähnelten der Architektur von Bunkern, gliederten sich jedoch passend in das Ästhetikverständnis der Nazis ein. An der Einweihungsfeier, die am 12. Mai 1935 stattfand, nahmen knapp 16.000 Menschen teil. Neben 13.000 Zuschauenden und 2.000 angestellten Personen, die für die Durchführung der Kulturveranstaltung unerlässlich waren, wurden hochrangige Staatsvertreter und Parteimitglieder der NSDAP empfangen. In seiner Eröffnungsrede heroisierte der damalige Gauleiter Friedrich Hildebrandt den Nationalsozialismus als „Retter“ der deutschen Kultur und die Thingstätten als einen würdigen Teil dessen. „Neurode“ war das erste Stück, das auf dem Rostocker Thingplatz aufgeführt wurde. Es handelt von einem immer weiter verfallenden Bergwerk, das nur durch die geeinte Anstrengung von Arbeitern aller Volksschichten gerettet werden konnte. Damit ist die Inszenierung des Theaterstückes der Inbegriff für das Leitbild der Thing-Propaganda.
Es folgten weitere Veranstaltungen auf der Mecklenburgischen Freilichtbühne, die durch die NSDAP initiiert wurden. Beispielsweise wurde 1937 das Erntedankfest dort ausgetragen, ein Jahr später der NSDAP-Kreisappell. Bedingt durch den Krieg konnte der Thingplatz jedoch nicht in der Dimension genutzt werden, in der es die Nationalsozialisten bei dem Bau vorgesehen hatten. Er blieb viele Jahre ungenutzt, bis er schließlich zur ersten Ostseewoche im Jahr 1958 zur Freilichtbühne umfunktioniert wurde.
Vertiefende Informationen zu den geschichtlichen Hintergründen des Rostocker Thingplatzes finden Sie in dem von Dr. Karsten Schröder verfassten Artikel „Die Thingstätte in den Barnstorfer Anlagen“ vom 30. September 1994.