Von Rebecca Budde de Cancino
Ich fahre nach Mülheim zur Thingstätte. Mit meinem
Opa im Gepäck. In Gedanken. Auf dem Weg dorthin,
blitzt das Sonnenlicht wie Salven ins Dunkel meiner
geschlossenen Augenlider.
Und dann stehe ich dort, auf der Tribüne, hoch oben.
Dort draußen. Majestätisch. Trotz der Bretterbänke.
Über allem.
Alleine.
Hunderte leerer Plätze schauen in eine Mitte.
Und mir gegenüber: der Felsen, der immer schon da war.
Ich überwinde mich, Jahre zuvor als er noch lebte, ihn
zu fragen, ob ich das Tattoo seiner Blutgruppe aus
dem Krieg fotografieren darf.
Er steht auf. Zieht sich den Pullover aus. Im Unterhemd
steht er vor mir.
Ich bin 19 Jahre alt.
Hängender Arm. Ich drücke ab.
Ich gebe eine kurze Anweisung den Arm nun zu heben.
Ich sehe Achselhaare und den ausgeblichenen, schlecht
gestochenen Kreis.
Ich drücke ein zweites Mal ab.
Er lässt den Arm wieder sinken. Zieht sich an. Kein Wort.
Diese Tat war der größte Liebesbeweis, den es gibt.
Ich weiß nicht, woher ich von dem Tattoo wußte. Wir
sprachen nie wieder darüber, wie wir auch vorher
nie darüber gesprochen hatten.
Enge. Spuren. Ein Raum. Eine Öffnung. Schwarz. Und
dann Worte. Eine Wand. Schatten.
Und Stille.Ich trete gegen die Pappe